4 Komplexe quadratische Probleme

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10.34663/9783945561607-06

Citation

Høyrup, Jens (2021). Komplexe quadratische Probleme. In: Algebra in Keilschrift: Einführung in eine altbabylonische geometrische Technik. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

Im letzten Kapitel haben wir die Methoden vorgestellt, welche die Babylonier für die Lösung der grundlegenden Probleme zweiten Grades benutzt haben: cut-and-paste, quadratische Ergänzung und Maßstabswechsel. Die Babylonier haben allerdings, wie man am Ausdruck „grundlegend“ erkennen kann, auch komplexere Aufgaben bearbeitet. Solche Aufgaben stehen im Mittelpunkt dieses Kapitels, und wir beginnen mit dem dritten Abschnitt des Texts, von dem wir die beiden einführenden pädagogischen Abschnitte bereits untersucht haben.

TMS IX #3

(19)Fläche, Länge und Breite habe ich angehäuft; 1 die Fläche. 3 Längen, 4 Breiten angehäuft,

(20)dessen 17tel zur Breite hinzugefügt, 30′.

(21)Du, 30′ bis 17 gehe: 8°30′ siehst Du.

(22)Zu 17 Breiten füge 4 Breiten hinzu, 21 siehst Du.

(23)21, so viel wie von Breiten, setze. 3, von drei Längen

(24)3, so viel wie von Längen, setze. 8°30′, was ist dessen Name?

(25)3 Längen und 21 Breiten angehäuft.

(26)   8°30′ siehst Du,

(27)   3 Längen und 21 Breiten angehäuft

(28)Weil 1 zur Länge hinzugefügt ist und 1 zur Breite hinzugefügt, lasse enthalten:

(29)1 zum Haufen von Fläche, Länge und Breite füge hinzu, 2 siehst Du,

(30)2 die Fläche. Weil die Länge und die Breite von 2 der Fläche,

(31)1°30′, die Länge, zusammen mit 1°20′, der Breite, sind enthalten gelassen,

(32)1, das Hinzugefügte der Länge, und 1, das Hinzugefügte der Breite,

(33)lasse enthalten, ¿1 siehst Du.? 1 und 1, die verschiedenen (Dinge), häufe an, 2 siehst Du.

(34)3 ..., 21 ..., und 8°30′ häufe an, 32°30′ siehst Du;

(35)so fragst Du.

(36)...der Breiten, zu 21, dem Haufen:

(37)...auf 3, Längen, erhöhe,

(38)1‵3 siehst Du. 1‵3 auf 2, die Fläche, erhöhe:

(39)2‵6 siehst Du, ¿2‵6 die Fläche?. 32°30′ den Haufen breche, 16°15′ ⟨siehst⟩ Du.

(40){…}. 16°15′ die Gegenseite setze, lasse enthalten,

(41)4‵24°3′45″ siehst Du. 2‵6 ¿ aus dem Innern?

(42)von 4‵24°3′45″ reiße heraus, 2‵18°3′45″ siehst Du.

(43)Was ist gleich? 11°45′ ist gleich, 11°45′ zu 16°15′ füge hinzu,

(44)28 siehst Du. Vom 2ten reiße aus,4°30′ siehst Du.

(45)igi 3, von den Längen, spalte ab, 20′ siehst Du. 20′ auf 4°30′

(46){…} erhöhe: 1°30′ siehst Du;

(47)1°30′ die Länge von 2 der Fläche. Was zu 21, der Breite, kann ich setzen

(48)das mir 28 gibt? 1°20′ setze, 1°20′ die Breite

(49)von 2 der Fläche. Gehe zurück. 1 von 1°30′ reiße aus,

(50)30′ siehst Du. 1 von 1°20′ reiße aus,

(51)20′ siehst Du.

Zeilen 19 und 20 präsentieren ein System von zwei Gleichungen über ein Rechteck, eine ersten und eine zweiten Grades. Die erste ist vom selben Typ wie diejenige, die in TMS XVI #1 (siehe Seite 31) erklärt wurde. Die zweite stimmt mit derjenigen überein, welche in Abschnitt #2 des vorliegenden Textes untersucht wurde (siehe Seite 59). In symbolischer Übersetzung können die Gleichungen wie folgt geschrieben werden:

In Übereinstimmung mit dem, was wir anderswo gesehen haben, multipliziert der Text die Gleichung ersten Grades mit 17 (unter Benutzung des akkadischen Verbs „gehen“, siehe Seite 22), und erhält so ganzzahlige Koeffizienten (so viel wie):

Dies wird in den Zeilen 21-25 gemacht, während die Zeilen 26 und 27 das Ergebnis zusammenfassen.

Zeilen 28-30 wiederholen den Trick, der in Abschnitt #2 des Texts (siehe Abb. 3.9 rechts) schon benutzt wurde: die Länge und die Breite werden auf 1 verlängert, und das Quadrat, das die beiden „hinzugefügten“1 Seiten „enthalten“, wird dem „Haufen“ \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (ℓ,w)+ℓ+w „hinzugefügt“. Dies ergibt eine „Fläche 2“, deren Bedeutung in den Zeilen 30-33 wieder erklärt wird.

Die Zeilen 34-37 sind sehr beschädigt, zu beschädigt, um sie sicher rekonstruieren zu können, was die Wortwahl angeht. Allerdings reichen die Zahlen aus um zu sehen, wie die Rechnungen verlaufen. Wir wollen die Größen \lambda =ℓ+1 und \phi =w+1 einführen. Der Text bezieht sich auf diese als die Länge und die Breite „der Fläche 2“, in anderen Worten: \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (\lambda ,\phi ) = 2. Weiter ist

Um das Verständnis für das Folgende zu erleichtern, können wir weiter die Variablen

einführen (wir müssen allerdings im Auge behalten, dass der Text für diese keine besonderen Namen hat – im Gegensatz zu \lambda und \phi , die solche Namen haben; wir sprechen nun über, nicht mit dem babylonischen Autor). Zeilen 36-39 finden

zusammenfassend haben wir also

Wir sind nun bei Zeile 39 angekommen, und damit bei einem Problem, das wir bisher noch nicht angetroffen haben: Ein Rechteck, von dem wir die Fläche und die Summe der beiden Seiten kennen.

Einmal mehr wird zur cut-and-paste-Methode gegriffen (siehe Abb. 4.1). Wie zuvor wird die bekannte Strecke zusammen mit dem dazugehörigen Rechteck „gebrochen“. In der vorliegenden Situation ist diese Strecke die Summe von L und W. Dieses Rechteck besteht aus \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (L,W), mit durchgezogenen Linien gezeichnet, und einem Quadrat \square (L) rechts davon, das mit punktierten Seiten gezeichnet ist. Als nächstes lassen wir die beiden „Halben“ dieser Strecke ein Quadrat „enthalten“ (Zeilen 39-40). Wie wir sehen, passt der Teil des ursprünglichen Rechtecks \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (L,W), der außerhalb des neuen Quadrats liegt, genau in dieses hinein und bildet so zusammen mit dem Teil, der an seinem Platz geblieben ist, ein Gnomon. In seiner ursprünglichen Lage erscheint dieser Teil leicht schattiert, in der neuen Lage dagegen dunkel schattiert.

Abb. 4.1: Die cut-and-paste-Methode von TMS IX #3.

Abb. 4.1: Die cut-and-paste-Methode von TMS IX #3.

Ein Teil des neuen Quadrats \square (16°15′) besteht aus dem Gnomon, dessen Fläche gleich derjenigen des ursprünglichen Rechtecks \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (L,W) ist; dies Fläche ist daher 2‵6. Wir kennen auch die Fläche des äußeren Quadrats, nämlich 16°15′\times 16°15 = 4‵24°3′45″ (Zeilen 40 und 41). Wenn das Gnomon „herausgerissen“ wird (Zeilen 41 und 42), bleibt 2‵18°3′45″ für das Quadrat, das im Gnomon enthalten ist. Dessen Seite (diejenige, welche „gleich ist“) ist 11°45′, und diese muss nun zu einem der Stücke 16°15′ „hinzugefügt“ (was uns W gibt) und aus dem anderen, seinem „Gegenstück“, „herausgerissen“ werden (was uns L gibt). Dieses Mal wird jedoch nicht dasselbe Stück „hinzugefügt“ und „herausgerissen“, und es gibt daher keinen Grund, es „herauszureißen“ bevor es „hinzugefügt“ wird, wie in YBC 6967 (Seite 52), und die übliche Priorität der Addition kann sich durchsetzen. Zeilen 43-44 finden W=28 und L=4°30′. Schließlich bestimmt der Text zuerst \lambda und \phi , und dann ℓ und w – wir erinnern daran, dass L=3\lambda , \lambda =ℓ+1,W = 21\phi und \phi =w+1 ist. Weil 28 kein igi besitzt, erklärt Zeile 48, dass 21\cdot 1°20′ = 28 ist.

AO 8862 #2

I

(30)Länge, Breite. Länge und Breite

(31)habe ich enthalten lassen: Eine Fläche habe ich gebaut.

(32)Ich ging (um sie) herum. Die Hälfte der Länge

(33)und ein Drittel der Breite

(34)zum Innern der Fläche

(35)habe ich hinzugefügt: 15.

(36)Ich ging zurück. Länge und Breite

(37)habe ich angehäuft: 7.

II

(1)Länge und Breite was?

(2)Du, in deinem Verfahren,

(3)2 (als) Einschreibung der Hälfte

(4)und 3 (als) Einschreibung

(5)des Drittels schreibe ein:

(6)igi 2, 30′, spalte ab:

(7)30′ Schritte von 7, 3°30′; zu 7,

(8)den angehäuften Dingen, Länge und Breite,

(9)bringe ich:

(10)3°30′ von 15, meinen angehäuften Dingen.

(11)schneide ab:

(12)11°30′ der Rest.

(13)Geh nicht darüber hinaus. 2 und 3 lasse enthalten:

(14)3 Schritte von 2, 6.

(15)igi 6, 10′ gibt es Dir.

(16)10′ von 7, deinen angehäuften Dingen,

(17)Länge und Breite, reiße ich heraus:

(18)6°50′ der Rest.

(19)Sein Halbes, das von 6°50′, breche ich ab:

(20)3°25′ gibt es Dir.

(21)3°25′ zwei Mal

(22)schreibe ein; 3°25′ Schritte von 3°25′,

(23)11°40′25″; vom Innern

(24)11°30′ reiße ich heraus:

(25)10′25″ der Rest. ⟨Bei 10′25″, 25′ ist gleich ⟩.

(26)Zum ersten 3°25′

(27)25′ füge hinzu: 3°50′,

(28)und was von den angehäuften Dingen,

(29)Länge und Breite, ich herausgerissen habe,

(30)zu 3°50′ füge hinzu:

(31)4 die Länge. Von den zweiten 3°25′

(32)25′ reiße ich heraus: 3 die Breite.

32a.7 die angehäuften Dinge.

32b.4, die Länge; 3, die Breite; 12, die Fläche.

Die ersten beiden Wörter der ersten Zeile (I.30) sagen uns, dass wir es mit einer Figur zu tun haben, die durch Länge und Breite vollständig bestimmt ist, also mit einem Rechteck (siehe Seite 32 – oder eher mit einem rechteckigen Feld: Hinweise auf die Tätigkeiten eines Feldmessers sind im Text nicht zu übersehen (beispielsweise bedeutet Ich ging (um es) herum in Zeile I.32 vermutlich, dass der Feldmesser, nachdem er ein Feld abgesteckt hat, um dieses herumgelaufen ist; in I.36 ging er zurück).

Bevor wir das Verfahren untersuchen, wollen wir uns einige Besonderheiten der Formulierung des Texts genauer ansehen. In Zeile I.31 sehen wir, dass die Operation „enthalten lassen“ nicht unmittelbar ein numerisches Resultat ergibt – weil die Maße der Seiten noch unbekannt sind, wäre das in der Tat schwierig. Der Text sagt nur, dass eine „Fläche gebaut“ wurde; vermutlich ist das so zu verstehen, dass es auf dem Gelände abgesteckt worden ist. Später, wenn die beiden bekannten Strecken etwas „enthalten“ sollen (Zeilen II.13–14, und vielleicht II.21–22), erscheint die numerische Bestimmung der Fläche als eine davon verschiedene Operation, und wird mit den Worten von Multiplikationstabellen beschrieben. Schließlich bemerken wir, dass der Text das Ergebnis eines „Anhäufens“ im Plural angibt, übersetzt als „die angehäuften Dinge“, und dass das übliche alternierende Muster der grammatischen Person nicht respektiert wird.

Der Text, ziemlich sicher aus Larsa, scheint um 1750 v.Chr. verfasst worden zu sein und gehört daher zur frühen Phase der Übernahme der Algebra durch die südlichen Schreiberschulen (siehe Seite 116). Diese Besonderheiten können uns daher Informationen über die Ideen liefern, auf welchen diese aufgebaut war – solche Ideen sind schlechter sichtbar, sobald die Sprache und das Format standardisiert worden sind.

Das Thema der Aufgabe ist also ein Rechteck. Zeilen I.36–37 sagen uns, dass der „Haufen“ von Länge und Breite 7 ist, während die Zeilen I.32–35 sagen, dass das „Hinzufügen“ der halben Länge und eines Drittels der Breite zur „Fläche“ 15 ergibt:2

Der obere Teil von Abb. 4.2 illustriert diese Situation, mit 2 und 3 „als Beschriftung“ von \tfrac{1}{2} bzw. \tfrac{1}{3} der „Projektionen“3 1 von Länge und Breite „eingeschrieben“ (Zeilen II.2–5); die dick gezeichnete Konfiguration hat daher eine Fläche von 15.

Die Lösung hätte dem Muster TMS IX #3 (Seite 63) folgen können. Durch die Einführung einer „erweiterten Länge“ \lambda =ℓ+\tfrac{1}{3} und einer „erweiterten Breite“ \phi =w+\tfrac{1}{2}, und durch Addition (nach der „akkadischen“ Methode) des Rechtecks \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (\tfrac{1}{2}, \tfrac{1}{3}), das in der Ecke fehlt, in der 2 und 3 „eingeschrieben“ sind, hätten wir das Problem auf

reduziert.

Abb. 4.2: Die Reduktion von AO 8862 #2.

Abb. 4.2: Die Reduktion von AO 8862 #2.

Der vorliegende Text geht jedoch nicht so vor – die altbabylonische Algebra war ein flexibles Instrument, keine Sammlung von Rezepten oder Algorithmen, die buchstabengetreu zu befolgen waren. Der Text findet die Hälfte von 7 (der Summe von Länge und Breite) und „bringt“ das Ergebnis zu den „angehäuften Dingen, Länge und Breite“. „Bringen“ ist keine neue arithmetische Operation – die Berechnung kommt später. Der Text muss wörtlich verstanden werden: das Rechteck \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (ℓ+w,\tfrac{1}{2}) (repräsentiert durch die Zahl 3°30′) wird physisch an den Platz gebracht, an dem sich Länge und Breite (welche die Breiten \tfrac{1}{2} und \tfrac{1}{3} besitzen) befinden. Dadurch wird es möglich, das Rechteck \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (ℓ+w,\tfrac{1}{2}) „abzuschneiden“ – solange es anderswo war, hätte dies keinen Sinn gehabt. In Abb. 4.2 ist die Fläche, die eliminiert wird, schattiert und schwarz gezeichnet: der Rest, in weiß, ist dann gleich 11°30′.

Abb. 4.3

Abb. 4.3

Wir wissen also, dass wir, zusätzlich zu dem Drittel der Breite, ein Rechteck \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (\emph {w},10′) (schwarz gezeichnet) eliminiert haben; mit \lambda = ℓ - 10′ haben wir also

Abb. 4.4

Abb. 4.4

Einmal mehr haben wir also ein Rechteck, von dem wir die Fläche und die Summe von Länge und Breite kennen. Das Verfahren ist dasselbe wie am Ende von TMS IX #3 – siehe Abb. 4.4; die Fläche, die verschoben werden soll, ist wieder leicht schattiert gezeichnet in der Lage, von wo sie weggenommen wird, und stark schattiert dort, wo sie hingeschoben wird. Der einzige Unterschied ist terminologischer Natur: in TMS IX #3 lässt man die beiden „Halben“ „enthalten“, hier werden sie „eingeschrieben“ – aber da unmittelbar darauf die Multiplikation einer Zahl mit einer Zahl folgt, dürfte hier die übliche Konstruktion eines Rechtecks (hier eines Quadrats) gemeint sein (Zeilen II.13–14).4

Am Schluss geht die Addition der Seite des Quadrats der Subtraktion voraus, ebenso wie in TMS IX #3. Einmal mehr wird bei diesen Operationen nicht dasselbe Stück verwendet; es gibt daher keinen Grund, es zur Verfügung zu stellen, bevor es addiert wird.

VAT 7532

Abb. 4.5: Das Diagramm von VAT 7532. Die „obere Breite“ ist links zu sehen.

Abb. 4.5: Das Diagramm von VAT 7532. Die „obere Breite“ ist links zu sehen.

Vs.

(1)Ein Trapez. Ich habe ein Schilfrohr geschnitten. Ich habe das Schilfrohr genommen,

(2)1 Sechzig längs der Länge bin ich gegangen. Der 6te Teil

(3)ist mir abgebrochen: 1‵12 entlang der Länge bin ich weitergegangen.

(4)Ich bin umgekehrt. Der 3te Teil und \frac{1}{3} kùš sind mir abgebrochen:

(5)3 Sechzig entlang der oberen Breite bin ich gegangen.

(6)Mit dem Abgebrochenen habe ich es verlängert:

(7)36 bin ich entlang der Breite gegangen. 1 bùr die Fläche. Der Kopf (ursprüngliche Größe) des Schilfrohrs, was?

(8)Du, bei Deinem Verfahren, (für) das Schilfrohr, das Du nicht kennst,

(9)1 mögest Du setzen. Dessen 6ten Teil brich ab, 50′ lässt Du zurück.

(10)igi 50′ spalte ab, 1°12′ auf 1 Sechzig erhöhe:

(11)1‵12 zu ⟨1‵12⟩ füge hinzu: 2‵24 die falsche Länge gibt es Dir.

(12)Für das Schilfrohr, das Du nicht kennst, 1 setze. Dessen 3ten Teil brich ab,

(13)40′ auf 3 Sechziger der oberen Breite erhöhe:

(14)2‵ gibt es Dir. 2‵ und 36, die untere Breite, häufe an,

(15)2‵36 auf 2‵24, die falsche Länge, erhöhe, 6‶14‵24 die falsche Fläche.

(16)Die Fläche bis 2 wiederhole, 1‶ auf 6‶14‵24 erhöhe,

(17)6‶‶14‷24‶ ergibt es. Und \frac{1}{3} kùš, was abgebrochen ist,

(18)auf 3 Sechziger erhöhe: 5 auf 2‵24, die falsche Länge,

(19)erhöhe: 12‵. \frac{1}{2} von 12‵ brich ab, 6‵ lass enthalten,

Rs.

(1)36‶ zu 6‶‶14‷24‶ füge hinzu, 6‶‶15‷ ergibt es.

(2)Bei 6‶‶15‷, 2‶30′ ist gleich. 6‵ welche du zurückgelassen hast,

(3)zu 2‶30‵ füge hinzu, 2‶36‵ ergibt es. igi 6‶14‵24,

(4)die falsche Fläche, kenne ich nicht. Was muss ich zu 6‶14‵24

(5)setzen, das mir 2‶36 gibt? 25′ setze.

(6)Weil der 6te Teil zuvor abgebrochen ist,

(7)6 schreibe ein: 1 lass weggehen, 5 bleibt Dir.

(8)igi 5 spalte ab, 12′ zu 25 erhöhe, 5′ gibt es Dir ⟩. 5′ zu 25′ füge hinzu: \frac{1}{2} nindan, den Kopf des Schilfrohrs gibt es Dir.

Dieses Problem handelt ebenfalls von einer Fläche – allerdings einer Fläche, welche einem Feldmesser nur im Traum begegnet (genauer in einem Alptraum). Das „wirkliche Leben“ kommt durch den Bezug auf die Einheit bùr ins Spiel, einer Einheit aus der landwirtschaftlichen Verwaltung, und durch den Bezug auf die Messung mittels eines Schilfrohrs, welches für diesen Zweck geschnitten wurde; dessen Länge ( \frac{1}{2} nindan) entspricht in der Tat einer Maßeinheit, die im täglichen Leben oft verwendet wurde, und die genau als „Schilfrohr“ bezeichnet wurde (gi auf Sumerisch). Man darf davon ausgehen, dass solche Schilfrohre leicht brechen. Schließlich zeigt uns der Gebrauch des Zahlworts „sechzig“ eine Möglichkeit, Zahlen eindeutig auszudrücken.

Alles andere jedoch – dass also die Fläche des Feldes bekannt ist, bevor sie gemessen wird, und auch die Art, die Maße der vom Schilfrohr abgebrochen Stücke anzugeben – zeigt, zu welchen Mitteln die altbabylonischen Schulmeister greifen mussten, um Probleme zweiten Grades zu erzeugen, die den Anschein erwecken, dem täglichen Leben entnommen zu sein.

Abbildung 4.5 zeigt ein Diagramm, das ausnahmsweise auf der Tafel selbst zu finden ist. Im allgemeinen, wie auch hier, werden Diagramme nur auf Tafeln gezeichnet, wenn sie dazu dienen, die Aussage zu präzisieren; sie werden nie genutzt um das Verfahren zu erklären. Zum Anderen zeigt Abbildung 4.5 einmal mehr, dass die Lösung im Voraus bekannt ist: Die Zahlen 1‵, 45 und 15 sind in der Tat die Maße der Seiten, ausgedrückt in nindan.

Wir messen also das Trapez mittels eines Schilfrohrs unbekannter Länge R. Wir schaffen es, 1‵ Schilfrohrlängen entlang der Länge des Trapezes zu messen, bevor das Schilfrohr ein Sechstel seiner Länge verliert und auf r=\frac{5}{6}R reduziert wird. Was von der Länge bleibt, stellt sich als 1‵12 r heraus (Zeilen Vs. 2-3).

Dann bricht das Schilfrohr zum zweiten Mal. Nach den Zeilen Vs. 4 und 5 ist das Maß für die „obere Breite“ (auf der linken Seite)5 gleich 3‵ z, wobei z=\frac{2}{3}r-\frac{1}{3} kùš die Länge des Schilfrohrs nach dieser zweiten Reduktion ist.

Das Stück, das zuletzt abgebrochen ist, wird wieder an seinen Platz gesetzt, und die „(untere) Breite“ (offensichtlich diejenige auf der rechten Seite) wird als 36 r abgeschritten (Zeile Vs. 7). Schließlich erfahren wir, dass die Fläche des Feldes 1 bùr = 30‵ sar (1 sar = 1 nindan2, siehe Seite 20) ist. Wir sollen die ursprüngliche Länge des Schilfrohrs finden – seinen „Kopf“ im Sinne von „Anfang“.

Die Zeilen Vs. 9-11 bestimmen die Länge in der Einheit r durch einen falschen Ansatz: wenn R gleich 1 gewesen wäre, dann wäre r gleich 50′; R muss umgekehrt r multipliziert mit igi 50′ = 1°12′ entsprechen. 1‵ Schritte von R entsprechen somit 1‵12\cdot r, und die Gesamtlänge wird

Abb. 4.6: Das verdoppelte Trapez von VAT 7532.

Abb. 4.6: Das verdoppelte Trapez von VAT 7532.

Der Text spricht von 2‵24 als der „falschen Länge“, also der Länge, welche in der Einheit Einheit r ausgedrückt wird.

Ein weiterer falscher Ansatz wird in Zeile Vs. 12 angewandt. Der Text nimmt 1 für die Länge r des einmal gekürzten Schilfrohrs und folgert, dass das, was nach dem Verlust von \frac{1}{3} übrig bleibt, gleich 40′ sein muss. Sieht man von dem zusätzlichen Verlust von \frac{1}{3} kùš ab, ist die falsche obere Breite (die obere Breite gemessen in der Einheit r) demnach 40′ multipliziert mit 3 Sechzigern, also 40′\cdot 3‵ = 2‵. Mit anderen Worten, die obere Breite misst 2‵ r – immer noch unter Vernachlässigung des fehlenden Stücks von \frac{1}{3} kùš.

Weil Zeile Vs. 7 anzeigt, dass die falsche (untere) Breite 36 ist, kennen wir – unter demselben Vorbehalt bezüglich der fehlenden \frac{1}{3} kùš – die drei Seiten, was uns die Bestimmung der Fläche des Trapezes in der Einheit \square (r) erlaubt.

Der Text berechnet diese Fläche jedoch nicht: Die Fläche bis 2 wiederhole. Stattdessen verdoppelt er das Trapez, sodass ein Rechteck entsteht (siehe den linken Teil von Abbildung 4.6), und die Zeilen Vs. 14-16 berechnen die Fläche dieses Rechtecks (die „falsche Fläche“); es ergibt sich 6‶14‵24 (in der Einheit \square (r)).

Wenn das Schilf nicht ein letztes Stück von \frac{1}{3} kùš verloren hätte, könnten wir jetzt die Lösung durch einen letzten falschen Ansatz ähnlich demjenigen von BM 13901 #10 (siehe Seite 52) finden: gemäß der Zeile Vs. 7 beträgt die Fläche des Feldes 1 bùr, die verdoppelte Fläche daher bùr = 1‶ nindan2 (Vs. 16: Die Fläche bis 2 wiederhole, 1‶). Allerdings liegen die Dinge hier etwas komplizierter. Für jeden der 3‵ Schritte, welche wir mit dem zweimal verkürzten Schilfrohr gemacht haben, fehlt ein Stück von \frac{1}{3} kùš in unserer Rechnung; das macht insgesamt also 3‵\cdot \frac{1}{3} kùš = 1‵ kùš = 5 nindan (1 kùš = \frac{1}{12} nindan): Und \frac{1}{3} kùš, welches abgebrochen ist, auf 3 Sechziger erhöhe: 5 (Vs. 17–18). Daher entspricht die Fläche des echten Feldes nicht dem, was wir links in Abbildung 4.6 sehen, sondern dem, was nach der Abspaltung des schattierten Streifens auf der rechten Seite übrig bleibt. Die Fläche dieses Streifens ist 5\cdot 2‵24 r = 12‵r: 5 auf 2‵24, die falsche Länge, erhöhe: 12‵. Die Beziehung zwischen der „falschen Fläche“ und der des verdoppelten echten Trapezes kann nun durch folgende Gleichung ausgedrückt werden:

Diese nicht-normierte Gleichung wird auf die übliche Weise gelöst. Zuerst wird sie multipliziert mit 6‶14‵24: 1‶ auf 6‶14‵24 erhöhe: 6‶‶14‷24‶ ergibt es (Vs. 16–17). Dies führt zur normalisierten Gleichung

oder, mit s = 6‶14‵24 r r als Unbekannter,

Ab hier stimmt das Verfahren mit dem von BM 13901 #2 (Seite 49) überein, mit einer kleinen Abweichung am Ende. Die Rechnungen können in Abbildung 4.7 verfolgt werden.

Die Fläche 6‶‶14‷24‶ entspricht dem Rechteck mit (der Höhe) s und der Breite s - 12‵. Die Hälfte des Überschusses der Höhe über die Breite wird „abgebrochen“ und, wie im Diagramm zu sehen, neu positioniert: die ursprüngliche Position ist leicht, die neue stark schattiert. Die Konstruktion der quadratischen Ergänzung wird mit einem der Synonyme von „enthalten lassen“ beschrieben, nämlich mit „zusammentreffen lassen“ (Vs. 19).

Abb. 4.7

Abb. 4.7

Nach den üblichen Operationen finden wir s = 6‶14‵24 r = 2‶36‵, und in Zeile Rs. 5 r = 25′. Wir stellen jedoch fest, dass das „Halbe“, das herumbewegt worden ist, nicht wieder in seine ursprüngliche Lage zurückgesetzt wird, was s in der vertikalen Richtung wieder hergestellt hätte. Stattdessen wird das andere „Halbe“, die ursprünglich an ihrem Platz gelassen wurde, jetzt ebenfalls bewegt, was eine horizontale Wiederherstellung von s = 6‶14‵24 r = 2‶36 erlaubt: 6‵, was du liegen lassen hast, zu 2‶30‵ füge hinzu, 2‶36‵ ergibt es.6

In den Zeilen Rs. 6–8 führt der Rechner einen dritten falschen Ansatz durch: wenn R gleich 6 gewesen wäre, dann wäre r gleich 5. Die Differenz 1 von R und r ist \frac{1}{5} von r oder 12′ mal r. Jetzt folgt der wahre Wert r zu 25′; um R zu erhalten müssen wir also 12′\cdot 25′=5′ dazu „hinzufügen“. Folglich ist R=25′+5′=30′=\frac{1}{2} nindan.

Man könnte glauben, dass dieser Problemtyp zu den absoluten Favoriten der altbabylonischen Lehrer für anspruchsvolle Mathematik zählt. Wir kennen vier Varianten, die sich in der Wahl der numerischen Parameter unterscheiden. Sie alle gehören jedoch zu nur zwei Tafeln, die eine Reihe von terminologischen Besonderheiten gemeinsam haben – zum Beispiel, die Verwendung des Logogramms \frac{1}{2} für das „Halbe“, und die Angewohnheit, dass die Ergebnisse „gegeben“ sind, und nicht etwa „gesehen“ werden oder „aufkommen“. Sicherlich sind beide Tafeln Produkte aus der gleichen Gegend und derselben lokalen Tradition (der Rechtschreibung nach aus der Gegend von Uruk), und sie kommen wahrscheinlich aus der gleichen Schule oder sind sogar von der gleichen Hand geschrieben worden. Eine einfachere Variante mit einem rechteckigen Feld findet sich jedoch in einem früheren Text aus dem Norden und auch in einem Text, welcher mit der Variante mit dem Trapez zusammengehört. Wenn das abgebrochene Schilfrohr nicht das Lieblingsproblem ist, dann doch eines.

TMS XIII

Wie TMS VII #2 ist auch dieses Problem recht schwierig. Es präsentiert ein erstaunliches Beispiel einer Anwendung der geometrischen Technik auf eine nichtgeometrische Frage.

(1)2 gur 2 pi 5 bán Öl habe ich gekauft. Von was ich für 1 Schekel Silber gekauft habe,

(2)4 silà jedes (Schekel) Öl habe ich weggenommen.

(3)\frac{2}{3} Minen Silber Profit habe ich gesehen. Entsprechend wozu

(4)habe ich gekauft und entsprechend wozu habe ich verkauft?

(5)Du 4 silà Öl setze und 40, (von der Größenordnung der) Mine, als Profit setze.

(6)igi 40 spalte ab, 1′30″ siehst Du, 1′30″ auf 4 erhöhe, 6′ siehst Du.

(7)6′ auf 12‵50, das Öl, erhöhe, 1‵17 siehst Du.

(8)\frac{1}{2} von 4 brich ab, 2 siehst Du, 2 lasse enthalten, 4 siehst Du.

(9)4 zu 1‵17 füge hinzu, 1‵21 siehst Du. Wobei ist es gleich? 9 ist gleich.

(10)9 die Gegenseite setze. \frac{1}{2} von 4, was du weggenommen hast, brich ab, 2 siehst Du.

(11)2 zu der ersten 9 füge hinzu, 11 siehst Du; von der zweiten reiße es ab,

(12)7 siehst Du. 11 silà jedes (Schekel) hast Du gekauft, 7 silà hast Du verkauft.

(13)Silber entspricht was? Was zu 11 ¿silà? kann ich setzen

(14)was 12‵50 Öl ergibt? 1‵10 setze, 1 Mine 10 Schekel Silber.

(15)Durch 7 silà jedes (Schekel) was du an Öl verkauft hast,

(16)das von 40 Silber entspricht was? 40 auf 7 erhöhe,

(17)4‵40 siehst Du, 4‵40 Öl.

Das ist ein weiteres Problem, welches bei oberflächlichem Lesen den Eindruck erweckt, als ginge es um eine echte Aufgabe aus der (hier kommerziellen) Praxis. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass es genauso künstlich ist wie das vorherige Problem des abgebrochenen Schilfrohrs: Ein Händler hat M = 2 gur 2 pi 5 bán (= 12‵50 sìla) feines Öl (wahrscheinlich Sesamöl) gekauft. Uns wird nicht gesagt, wie viel er zahlte, aber der Text informiert uns, dass er von dem Öl, das er für einen Schekel (a) gekauft hat, 4 sìla abgezogen hat: Was er für einen Schekel gekauft hat, können wir a nennen. Dann verkauft er für einen Schekel v = a-4 (beide in Einheiten sìla). Dabei hat er einen Gewinn von \frac{2}{3} mina = 40 Schekel Silber gemacht. Hier sind a und v die Reziproken der beiden Preise – wir dürfen von ihnen als „Raten“ des Kaufs und Verkaufs sprechen. Für uns, die wir mit algebraischer Symbolik vertraut sind, ist es leicht zu erkennen, dass der Gesamtkaufpreis (die Investition) M\div a, der Gesamtverkaufspreis M\div v, und der Gewinn folglich w=(M\div v\;) - \; (M\div a) sein muss. Multipliziert man mit a\cdot v, so erhält man die Gleichung

und wegen v=a-4 das System

Diese System, das vom selben Typ ist wie das igûm-igibûm Problem (Seite 52) auf YBC 6967, ist in der Tat dasjenige, das ab Zeile 8 gelöst wird. Doch es wurde sicherlich nicht in der eben beschriebenen Weise erreicht: Einerseits, weil die Babylonier nicht unsere symbolische Algebra hatten, andererseits hätten sie dann die Größe (4M)\div w gefunden und eben nicht (4÷w )\cdot M.

Der Hinweis auf ihre Methode taucht gegen Ende des Textes auf. Hier findet der Text zuerst die Gesamtinvestition und als nächstes den Gewinn in Öl (4‵40 sìla). Diese Berechnungen stellen keinen Beweis dar, da diese Größen nicht gegeben waren. Nach ihnen ist aber auch nicht gefragt. Sie müssen interessant sein, weil sie bei der Suche nach der Lösung eine Rolle gespielt haben.

Abbildung 4.8 zeigt eine mögliche und im Prinzip plausible Interpretation. Die Gesamtmenge des Öls wird durch ein Rechteck dargestellt, dessen Höhe dem Gesamtverkaufspreis in Schekel und dessen Breite der „Verkaufsrate“ v (sìla pro Schekel) entspricht. Der gesamte Verkaufspreis kann in den Gewinn (40 Schekel) und die Investition (Kaufpreis) eingeteilt werden, und die Ölmenge in ähnlicher Weise in den Ölgewinn und in die Menge, deren Verkauf die Investition zurückbringt.

Das Verhältnis zwischen den beiden letzten Größen muss mit dem Verhältnis übereinstimmen, in das die für einen Schekel gekaufte Menge geteilt wurde, also mit dem Verhältnis zwischen 4 sìla und dem, was für 1 Schekel verkauft wird (also v).

Ändert man den vertikalen Maßstab mit einem Faktor, der 40 auf 4 verringert, also um einen Faktor 4\div w = 4\div 40 = 6′, dann wird die Investition auf v verringert, und die Fläche auf (4\div w)\cdot M=1‵17. Auf diese Weise erhalten wir das Rechteck auf der rechten Seite, von dem wir die Fläche ( a\cdot v=1‵17) und die Differenz zwischen den Seiten ( a-v=4) kennen, genau so, wie es sein soll. Außerdem folgen wir dem Text in der Reihenfolge der Operationen, und der Profit beim Ölverkauf sowie die Investition spielen eine Rolle.

Abb. 4.8: Geometrische Darstellung von TMS XIII.

Abb. 4.8: Geometrische Darstellung von TMS XIII.

Insgesamt folgt der letzte Teil des Verfahrens dem Modell von YBC 6967 (und von anderen Problemen desselben Typs). Der einzige Unterschied taucht in Zeile 10 auf: Anstatt das „Halbe“ von a-v zu benutzen, das wir in Zeile 8 „enthalten lassen“ haben, wird a-v ein zweites Mal „gebrochen“. Dies erlaubt uns zuerst das „Hinzufügen“ (das, was hinzugefügt wird, liegt schon vor) und dann das anschließende „ausreißen“.

Bei der igûm-igibûm-Aufgabe auf YBC 6967 (Seite 52) haben die geometrischen Größen andersartige Größen repräsentiert, nämlich abstrakte Zahlen. Im vorliegenden Fall ist die Darstellung raffinierter: eine Seite repräsentiert eine Menge an Silber, die andere die Menge an Öl, welche einem Schekel Silber entspricht.

BM 13901 #12

Vs. II

(27)Die Flächen meiner beiden Gegenseiten habe ich angehäuft: 21′40″.

(28)Meine Gegenseiten habe ich enthalten lassen: 10′.

(29)Das Halbe meiner 21′40″ brichst Du: 10′50″ und 10′50″ lässt Du enthalten,

(30)1′57″21\lbrace +25\rbrace ‴40⁗7 ist es. 10′ und 10′ machst Du enthalten, 1′40″

(31)aus 1′57″21\lbrace +25\rbrace ‴40⁗ reißt Du heraus: bei 17″21\lbrace +25\rbrace ‴40⁗, 4′10″ ist gleich.

(32)4′10″ zum einen 10′50″ fügst Du hinzu: bei 15′, 30′ ist gleich.

(33)30′ die erste Gegenseite.

(34)4′10″ aus dem zweiten 10′50″ reißt Du heraus: bei 6′40″, 20′ ist gleich.

(35)20′ die zweite Gegenseite.

Mit diesem Problem verlassen wir den Bereich der pseudo-praktischen Aufgaben und kehren zur Geometrie abgemessener geometrischer Größen zurück. Bei dem Problem, das wir betrachten werden, werden wir auf einen möglicherweise noch bemerkenswerteren Fall von Darstellung treffen.

Dieses Problem stammt aus der Aufgabensammlung über Quadrate, aus der wir uns schon einige Male bedient haben. Das hier vorliegende Problem dreht sich um zwei Quadrate; die Summe ihrer Flächen ist gegeben, ebenso wie die Fläche des Rechtecks, das die beiden „Gegenseiten“ c_1 und c_2 „enthalten“ (siehe Abb. 4.9):

Abb. 4.9: Die beiden Quadrate und das Rechteck von BM 13901 #12.

Abb. 4.9: Die beiden Quadrate und das Rechteck von BM 13901 #12.

Dies Aufgabe hätte mit den Methoden der Figur in Abb. 4.10 gelöst werden können, das anscheinend bereits für die Lösung des Problems #8 derselben Tafel benutzt wurde, welches symbolisch wie folgt formuliert werden kann:

Abb. 4.10: Das Diagramm zur Lösung von BM 13901 #8.

Abb. 4.10: Das Diagramm zur Lösung von BM 13901 #8.

Der Autor wählt jedoch eine andere Methode und unterstreicht so die Flexibilität der algebraischen Technik. Er nimmt die beiden Flächen \square (c_1) und \square (c_2) als die Seiten eines Rechtecks, dessen Fläche er findet, indem er 10′ und 10′ „enthalten lässt“ (siehe Abb. 4.10):

Trotz des geometrischen Charakters der Operationen war es den Babyloniern durchaus bewusst, dass die Fläche eines Rechtecks, dessen Seiten die Quadrate \square (c_1) und \square (c_2) sind, mit dem eines Quadrats zusammenfällt, dessen Seite das Rechteck \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (c_1,c_2) ist – dies entspricht unserer algebraischen Regel p^2\cdot q^2=(pq)^2.

Jetzt haben wir ein Rechteck, für das wir die Fläche und die Summe der beiden Seiten kennen, wie in den Aufgaben TMS IX #3 (Seite 63) und AO 8862 #2 (Seite 66). Die Lösung folgt demselben Muster, aber mit einem unvermeidlichen Unterschied: dieses Verfahren kann uns nur \square (c_1) und \square (c_2) geben. Zur Berechnung von c_1 und c_2 müssen wir noch herausfinden, „wobei sie gleich“ sind. Die Rechnungen kann man in Abb. 4.11 verfolgen.

Abb. 4.11: Die bei der Lösung des Rechteckproblems benutzte Prozedur.

Abb. 4.11: Die bei der Lösung des Rechteckproblems benutzte Prozedur.

Bei diesem Problem ist die Tatsache beachtenswert, dass hier Flächen durch Strecken und und das Quadrat der Fläche durch eine Fläche dargestellt wird. Zusammen mit andern Beispielen von Darstellungen, die wir schon angetroffen haben, wird dieses Beispiel uns erlauben, die altbabylonische Technik auf Seite 105 als eine echte Algebra zu charakterisieren.

BM 13901 #23

Rs. II

(11)Über eine Fläche; die vier Breiten und die Fläche habe ich angehäuft, 41′40″.

(12)4, die vier Breiten, schreibe ein. igi 4 ist 15′.

(13)15′ auf 41′40″ erhöhe: 10′25″ schreibe ein.

(14)1, die Projektion, füge hinzu: bei 1°10′25″, 1°5′ ist gleich.

(15)1, die Projektion, welche Du hinzugefügt hast, reiße heraus: 5′ bis zwei

(16)wiederhole: 10′, nindan, steht sich gegenüber.

Während das vorherige Problem den „modernen“ Aspekt der altbabylonischen Mathematik unterstreicht, scheint dieses hier die archaische Seite zu betonen – obwohl sie beide von derselben Tafel stammen.

Dies ist kein wirklicher Widerspruch. Das vorliegende Problem #23 ist absichtlich archaisch. Mit anderen Worten ist es archaisierend und nicht wirklich archaisch, was sein Auftauchen zusammen mit „modernen“ Aufgaben in derselben Sammlung erklärt. Der Autor ist nicht gleichzeitig modern und archaisch, vielmehr zeigt es seine Virtuosität, indem er mit Archaismen spielt. Die hier gewählten Formulierungen scheinen gewissermaßen den Tonfall der akkadischen Feldmesser zu imitieren Der Text spricht von der Breite eines Quadrats, nicht von seiner „Gegenseite“; außerdem erscheint dieses Wort in Silbenschrift, was ziemlich außergewöhnlich ist (siehe Fußnote 4, Seite 20).

Die einführende Phrase „Über eine Fläche“8 scheint eine Abkürzung der charakteristischen Formel zu sein, die mathematische Rätsel einleitet: „Wenn Dich jemand über eine Fläche fragt ...“ (siehe die Seiten 38, 116, 118 und 134). Der Ausdruck „die vier Breiten“9 zeugt von einem Interesse an dem, was wirklich da und auffällig ist, ein Interesse, das Rätsel im Allgemeinen und mathematische Rätsel im Besonderen charakterisiert, die unter den mathematischen Praktikern der vor-modernen Welt (siehe Seite 112) zirkuliert sind. Sogar die benutzte Methode ist typisch für Rätsel: der Gebrauch eines erstaunlichen Kunstgriffs, der sich nicht leicht verallgemeinern lässt.

Das Problem kann daher wie folgt formuliert werden:

Abb. 4.12 macht das Verfahren klar: 4c wird durch 4 Rechtecke \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (1,c) dargestellt; die Summe 41′40″ entspricht daher der kreuzförmigen Figur bei der eine „Projektion“ in jede der vier Himmelsrichtungen verläuft.

Zeilen 12-13 verlangen, \frac{1}{4} des Kreuzes (mit gestrichelten Linien dargestellt) herauszuschneiden und eine quadratische Ergänzung \square (1) zum daraus resultierenden Gnomon „hinzuzufügen“. Es gibt keinen Grund, etwas „enthalten zu lassen“, weil die Seiten des ergänzenden Quadrats bereits an der richtigen Stelle sind. Wir bemerken allerdings, dass die „Projektion“ selbst „hinzugefügt“ wird: es ist also keine bloße Zahl mehr, sondern eine quadratische Figur identifiziert durch ihre Seite.

Abb. 4.12: Das Verfahren von BM 13901 #23.

Abb. 4.12: Das Verfahren von BM 13901 #23.

Die Vervollständigung des Gnomons ergibt ein Quadrat der Fläche 1°10′25″ und damit der Seite 1°5′. Durch das „Herausreißen“ der „Projektion“ – hier als eindimensionale Größe – finden wir 5′. Verdoppeln des Ergebnisses liefert die Seite 10′. Auch hier vermeidet der Text den üblichen Ausdruck und spricht nicht von einer „Gegenseite“ wie die „modernen“ Aufgaben der Sammlung, sondern sagt stattdessen, dass 10′ nindan „sich gegenüber stehen“.

Die Methode ist derart verschieden von allen anderen Texten, dass Neugebauer glaubte, es wäre das Resultat einer Vermischung zweier Aufgaben durch einen Kopisten, die zufällig einen mathematischen Sinn ergibt. Wie wir unten sehen werden (Seite 115), ist die Erklärung eine ganz andere.

Der archaisierende Aspekt, das sei noch bemerkt, dominiert nicht vollständig. Zeile 12, welche zuerst das „Einschreiben“ der 4 verlangt und danach sein igi angibt, scheint die Operationen zu beschreiben, die in der Schule unterrichtet und auf einer Hilfstafel gemacht wurden (siehe Fußnote 4, Seite 71, und Seite 126).

TMS VIII #1

(1)Die Fläche 10′. Das 4tel der Breite zur Breite habe ich hinzugefügt, bis 3 bin ich gegangen, über

(2)die Länge geht es 5′ hinaus. Du, 4, vom Viertel, so viel als Breite setze. Das Viertel von 4 nimm, 1 siehst Du.

(3)1 bis 3 gehe, 3 siehst Du. 4 Viertel der Breite zu 3 füge hinzu, 7 siehst Du.

(4)7 so viel als Länge setze. 5′, das darüber Hinausgehende, zum Herauszureißenden der Länge setze. 7, von der Länge, auf 4, ¿von der Breite?, erhöhe,

(5)28 siehst Du. 28, von den Flächen, auf 10′ die Fläche erhöhe, 4°40′ siehst Du.

(6)5′, das Herauszureißende der Länge, auf vier, von der Breite, erhöhe, 20′ siehst Du. \frac{1}{2} breche, 10′ siehst Du. 10′ lasse enthalten

(7)1′40″ siehst Du. 1′40″ zu 4°40′ füge hinzu, 4°41′40″ siehst Du. Was ist gleich? 2°10′ siehst Du.

(8)10′ ¿ ...? zu 2°10′ füge hinzu, 2°20′ siehst Du. Was zu 28, von den Flächen, soll ich setzen, das mir 2°20′ gibt?

(9)5′ setze. 5′ auf 7 erhöhe, 35′ siehst Du. 5′, das Herauszureißende der Länge, aus 35′ reiße heraus,

(10)30′ siehst Du, 30′ die Länge. 5′ die Länge, auf 4 von der Breite erhöhe, 20′ siehst Du, 20 die Länge (fehlerhaft für Breite).

In BM 13901 #12 haben wir gesehen, wie ein Problem über Quadrate auf ein Problem über ein Rechteck zurückgeführt werden kann. Hier wird umgekehrt ein Problem über ein Rechteck auf eines über Quadrate zurückgeführt.

In Symbole übersetzt ist das Problem das Folgende:

(„bis 3 bin ich gegangen“ in Zeile 1 bedeutet, dass das „Hinzufügen“ von \frac{1}{4} w in Zeile 1 dreimal wiederholt wird) Das Problem hätte mit denselben Methoden gelöst werden können wie auf TMS IX #3 (Seite 63), also auf die folgende Art:

Abb. 4.13: Die Methode von TMS VIII #1.

Abb. 4.13: Die Methode von TMS VIII #1.

Einmal mehr zeigt der Rechner jedoch, dass er mehrgleisig fahren kann und zwischen verschiedenen Varianten die ihm genehmste wählen kann. Hier baut er seinen Zugang auf einem Quadrat auf, dessen Seite (z) gleich \frac{1}{4} der Breite ist (siehe Abbildung 4.13). Auf diese Weise sorgt er dafür, dass die Breite 4 ist, verstanden als 4 z (Du, 4, vom Viertel, so viel als Breite setze), und dass die Länge, verlängert um 5′, gleich 7 ist, verstanden als 7z (7 so viel als Länge setze). Zeile 4 findet, dass das Rechteck mit den Seiten 7 z und 4 z – mit anderen Worten, das ursprüngliche Rechteck verlängert um 5′ – aus 7\cdot 4=28 kleinen Quadraten \square (z) besteht10. Diese 28 Quadrate übertreffen die Fläche 10′ um eine gewisse Anzahl von Seiten ( n\cdot z), deren Bestimmung auf später verschoben wird. Wie üblich wird das nicht normalisierte Problem

in

verwandelt.

Zeile 6 findet n=4\cdot 5′=20′, und von hier an folgt alles dem üblichen Schema, wie man in Abbildung 4.14 sehen kann: 28 z wird gleich 2°20′, und z folglich gleich 5′.11 Also ist die Länge ℓ gleich 7\cdot 5′-5′= 30′, und die Breite w gleich 4\cdot 5′ = 20′.

Abb. 4.14: Lösung der normalisierten Gleichung von TMS VIII #1.

Abb. 4.14: Lösung der normalisierten Gleichung von TMS VIII #1.

YBC 6504 #4

Rs.

(11)So viel wie die Länge über die Breite hinausgeht, gegenüber gestellt, aus dem Innern der Fläche habe ich herausgerissen:

(12)8′20″. 20′ die Breite, seine Länge was?

(13)20′ stelle gegenüber: 6′40″ setze.

(14)6′40″ zu 8′20″ füge hinzu: 15′ setze.

(15)Bei 15′, 30′ ist gleich. 30′, die Länge, setze.

Bis jetzt waren alle Texte, die wir betrachtet haben, mathematisch korrekt, abgesehen von einigen wenigen Berechnungen und Kopierfehlern. Aber jeder, der Mathematik treibt, macht manchmal Fehler beim Argumentieren; es ist also kein Wunder, dass dies auch den Babyloniern so erging.

Der vorliegende Text ist ein Beispiel hierfür. Übersetzt in die moderne Symbolsprache ist das Problem das folgende:

Erstaunlicherweise wird die Länge gefunden als das, was bei

„gleich ist“, also nach einer Umformung und in Symbolen ausgedrückt durch \sqrt{(3w-ℓ)\cdot ℓ} .

Abb. 4.15: Die cut-and-paste Operationen auf YBC 6504 #4.

Abb. 4.15: Die cut-and-paste Operationen auf YBC 6504 #4.

Der Fehler scheint schwer erklärbar zu sein, aber eine Betrachtung der Geometrie des Arguments enthüllt dessen Ursprung (siehe Abb. 4.15). Oben ist das Verfahren (nicht maßstabsgetreu) dargestellt; wir sehen, dass das „Hinzufügen“ von \square (w) voraussetzt, dass das verstümmelte Rechteck entlang der gestrichelten Linie zerschnitten wird und als Pseudo-Gnomon gelegt wird. Es ist klar, dass das Ergebnis der Vervollständigung dieser Figur nicht \square (ℓ) ist, sondern, wenn man richtig zählt, \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (3w-ℓ,ℓ).

Unten sehen wir dasselbe, aber jetzt maßstabsgetreu, und jetzt fällt der Fehler nicht mehr ins Auge. Hier ist ℓ=30′ und w=20′, folglich ℓ-w=w-(ℓ-w). Daher erscheint das verstümmelte Rechteck als wirkliches Gnomon, und die vervollständigte Figur entspricht \square (ℓ) – aber nur wegen ℓ=\frac{3}{2} w.

Dieser Fehler illustriert einen wichtigen Aspekt der „naiven“ Geometrie: wie bei geometrischen Beweisen muss man sehr gewissenhaft aufpassen, dass man nicht durch etwas „offensichtlich Wahres“ fehlgeleitet wird. Dass solche Fehler sehr selten sind ist ein Hinweis auf die hohe Kompetenz der altbabylonischen Rechner und zeigt, dass sie fast immer die gegebenen Größen von dem, was sie darüberhinaus wussten, unterscheiden konnten.

Fußnoten

Was das „Hinzuzufügende“ auf Seite 42 angeht, ist dieses Substantiv (wuṣubbûm) vom Verb „hinzufügen“ abgeleitet.

Wir sollten bemerken, dass die Hälfte, die hier erscheint, wie jeder andere Bruch behandelt wird, gleichberechtigt mit dem darauf folgenden Drittel. Es ist nicht eine „Halbe“, und der Text findet das Resultat durch Multiplikation mit 30′, und nicht durch „zerbrechen“.

Wir sollten ebenfalls bemerken, dass die Hälfte der Länge und das Drittel der Breite zur Fläche „hinzugefügt“ werden und nicht angehäuft. Ein paar andere frühe Texte teilen diese Besonderheit. Es scheint, dass die Feldmesser sich „breite Linien“ vorgestellt haben, also Streifen, von denen stillschweigend angenommen wurde, dass sie 1 Längeneinheit Breite haben. Ein solches Vorgehen ist von vielen prä-modernen Feldmessertraditionen bekannt, und stimmt gut mit dem babylonischen Verständnis von Flächen als „dick“ überein, die mit einer impliziten Höhe von 1 kùš versehen sind (wie in der Metrologie von Volumina vorgegeben, welche mit der von Flächen übereinstimmt – siehe Seite 20). Die „Projektion“ und „Basis“ von BM 13901 und TMS IX #1 sind vermutlich eigene Erfindungen der Schreiberschulen – verschiedener Schulen, und daher tatsächlich auch verschiedene Wörter. Sie erlaubten, von Strecken als wirklich eindimensionalen Objekten zu denken und ihnen gleichzeitig die Verwandlung in Rechtecke mit Breite 1 zu erlauben.

Die Abwesenheit dieses Begriffs im Text sollte uns nicht davon abhalten, ihn als technischen allgemeingültigen Ausdruck zu verwenden.

Wir können nicht wirklich ausschließen, dass der Text nicht direkt die Konstruktion beschreibt, sondern sich zweimal auf die Einschreibung von 3°25′ auf einer Hilfstafel bezieht, gefolgt vom numerischen Produkt – siehe oben, Fußnote 11, Seite 25; in diesem Fall würde die Konstruktion selbst implizit geblieben sein, so wie die numerische Berechnung in anderen Texten. Selbst das „Einschreiben“ von 2, gefolgt von seinem igi (II.3 und 6), könnte sich auf eine derartige Hilfstafel beziehen. In diesem Fall würde man aber erwarten, dass die „Abspaltung“ des igi dem Einschreiben unmittelbar folgt; außerdem folgt auf das Einschreiben der 3 in Zeile II.4 überhaupt keine „Abspaltung“ dessen igi, was dann gegen diese Lesart der Zeilen II.3–6 und II.21–22 spricht.

Die Lage der „oberen“ Breite auf der linken Seite eine Folge der neuen Ausrichtung der Keilschrift (eine Drehung von 90° gegen den Uhrzeigersinn), die im Kasten „Keilschrift“ erwähnt wird. Die Drehung der Tafeln fand weit vor der altbabylonischen Epoche statt; als Folge davon schrieb man dann von links nach rechts. Aber die altbabylonischen Schreiber wussten genau, dass die wahre Richtung vertikal nach unten war - feierliche Inschriften auf Stein (zum Beispiel das Gesetz von Hammurabi) wurden noch in diesem Stil geschrieben. Es kann gut sein, dass die Schreiber ihre Tafeln zum Lesen um 90° im Uhrzeigersinn gedreht haben.

Diese Unterscheidung zwischen den beiden Halben, von denen eine „(liegen) gelassen“ wird, ist bemerkenswert als weiterer Beweis der geometrischen Interpretation – diese Nomenklatur macht absolut keinerlei Sinn, wenn man sie nicht im räumlichen Sinne versteht.

In Zeile 30 des Textes steht fälschlich 1′57″46‴40⁗ statt 1′57″21‴40⁗: offenbar wurde ein Teilprodukt 25 aus Versehen doppelt addiert. Dies zeigt, dass die Rechnung mit einem Hilfsmittel gemacht worden ist, bei welchem Teilprodukte nach der Addition nicht mehr sichtbar waren. Damit ist eine schriftliche Rechnung auf einer Tontafel ausgeschlossen und legt die Benutzung einer Art Rechenbrett (Abakus) nahe.

Der Fehler wird in die darauffolgenden Zeilen übernommen, verschwindet aber beim Ziehen der Quadratwurzel in Zeile 31, welche daher schon im Voraus bekannt gewesen sein musste.

Im Original ist das Wort „Fläche“ durch eine phonetische Ergänzung markiert, die den Akkusativ anzeigt. Ein Akkusativ in dieser Position hat keine Parallele, und scheint keine andere Interpretation zu erlauben als die hier gegebene.

Hier entspricht der bestimmte Artikel tatsächlich dem Akkadischen, nämlich zu einem Ausdruck der nur benutzt wird, um über eine untrennbare Vielfachheit (so wie die „vier Enden der Erde“ oder „die sieben Todsünden“) zu reden.

Die Benutzung der Multiplikation durch „Erhöhen“ zeigt, dass der Rechner kein neues Rechteck konstruiert, sondern sein Verfahren auf eine Unterteilung des bereits vorhandenen aufbaut – siehe die Diskussion und die Ausschaltung einer möglichen alternativen Interpretation des Verfahrens von BM 13901 #10 in Fußnote 5, Seite 54.

Zeile 10 spricht davon als 5′ die Länge – nämlich der Seite des kleinen Quadrats. Einige andere Texte aus Susa sprechen ebenfalls von der Seite eines Quadrats als seiner „Länge“.