Probleme für die Leser

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10.34663/9783945561607-12

Citation

Høyrup, Jens (2021). Probleme für die Leser. In: Algebra in Keilschrift: Einführung in eine altbabylonische geometrische Technik. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

Die Aufgaben, die wir in Kap. 2-5 präsentiert haben, waren so unterschiedlich, dass es notwendig war, jede mit einem ausführlichen Kommentar zu versehen. Um den Lesern, die das möchten, die Untersuchung altbabylonischer Texte zu ermöglichen, ohne dabei fest bei der Hand gehalten zu werden, enthält dieser Anhang die Übersetzung einiger Aufgaben, nur von den absolut notwendigen Erklärungen begleitet. Einige sind Gegenstücke zu Aufgaben, die oben präsentiert wurden und von denselben Tafeln stammen.

TMS XVI #2

(13)Das 4tel der Breite zu dem, was die Länge über die Breite geht, hinzufügen,

(14)15′. Du, 15′ auf 4 erhöhe, 1 siehst Du, was ist es?

(15)4 und 1 setze.

(16)15′ zerstreue. 10′, was darüber hinausgeht, und 5′, das Hinzugefügte, setze. 20′, die Breite,

(17)auf 10′, was darüber hinausgeht, füge hinzu, 30′ die Länge, und 20′, zum Herausreißen, setze. 5′ auf 4 erhöhe,

(18)20′ siehst Du. 20′, die Breite, auf 4 erhöhe, 1°20′ siehst Du.

(19)30′, die Länge, auf 4 erhöhe, 2 siehst Du. 20′, die Breite,

(20)aus 1°20′ reiße heraus, 1 siehst Du. 1

(21)aus 2, der Länge, reiße heraus, 1 siehst Du, was ist es?

(22)Aus 4, vom Viertel, 1 reiße heraus, 3 siehst Du. igi 4 spalte ab, 15′ siehst Du.

(23)15′ auf 3 erhöhe, 45′ siehst Du, so viel wie Breiten, setze. Setze zum Herausreißen.

(24)1 so viel wie Längen setze. [...] 1 nimm, auf 1 Länge

(25)erhöhe, 30′ siehst Du. 20′ die Breite, 20′ auf 45′, (so viel wie (es gibt) von) Breiten, erhöhe,

(26)15′ siehst Du, 15′ zu 15′ füge hinzu, 30′ siehst Du, 30 die Länge.

Kommentar: siehe #1 derselben Tafel, Seite 31.

TMS VII #1

(1)Das Viertel der Breite zur Länge habe ich hinzugefügt, dessen 7⟨tel⟩ zu 10 bin ich gegangen,

(2)so viel wie der Haufen von Länge und ⟨Breite⟩. Du, 4 setze; 7 setze;

(3)10 setze; 5′ zu 7 erhöhe, 35′ siehst Du.

(4)30′ und 5′ trenne. 5′, den Schritt, auf 10 erhöhe,

(5)50′ siehst Du. 30′ und 20′, setze. 5′, den Schritt, auf 4, vom Viertel der Breite,

(6)erhöhe: 20′ siehst Du, 20′, die Breite. 30′ auf 4, vom Viertel

(7)erhöhe, 2 siehst Du. 2 setze, Längen. 20′ aus 20′ reiße heraus,

(8)und aus 2, 30′ reiße heraus, 1°30′ siehst Du.

(9)Aus 4, vom Viertel, 1 reiße heraus, 3 {…} siehst Du.

(10)igi 3 spalte ab, 20′ siehst Du. 20′ auf 1°30′ erhöhe:

(11)30′ siehst Du, 30′ die Länge. 30′ aus 50′ reiße heraus 20′ siehst Du, 20′ die Breite.

(12)Kehre um. 7 auf 4, vom Viertel, erhöhe, 28 siehst Du.

(13)10 aus 28 reiße heraus, 18 siehst Du. igi 3 spalte ab,

(14)20′ siehst Du. 20′ auf 18 erhöhe, 6 siehst Du, 6 (für) die Länge.

(15)6 aus 10 reiße heraus, 4 (für) die Breite. 5′ auf 6 erhöhe,

(16)30′ die Länge. 5′ auf 4 erhöhe, 20′ siehst Du, 20′ die ⟨Breite⟩.

Kommentar: siehe #2 derselben Tafel, Seite 39.

VAT 8389 #1

Vs. I

(1)Von 1 bùr 4 gur Getreide habe ich (als Pachtzins) genommen,

(2)von 1 zweiten bùr 3 gur Getreide habe ich genommen.

(3)Getreide über Getreide, 8‵20 ging es darüber hinaus.

(4)Meine Felder habe ich angehäuft: 30‵.

(5)Meine Felder was?

(6)30‵, das bùr, setze. 20‵, das Getreide, das er genommen hat, setze.

(7)30‵, das zweite bùr, setze

(8)15‵, das Getreide, das er genommen hat,

(9)8‵20 welches das Getreide über das Getreide hinausging,

(10)und 30‵ der Haufen der Flächen der Felder, setze:

(11)30‵ der Haufen der Flächen der Felder

(12)brich entzwei: 15‵.

(13)15‵ und 15‵ bis zweimal setze:

(14)igi 30‵, vom bùr, spalte ab: 2″.

(15)2″ auf 20‵, das Getreide, das er genommen hat,

(16)erhöhe, 40′ das falsche Getreide; auf 15‵ welches bis zwei Mal

16a.Du gesetzt hast,

(18)erhöhe, 10‵ möge Dein Kopf halten!

(19)igi 30, vom zweiten bùr, spalte ab, 2″.

(20)2″ auf 15‵, das Getreide, das er genommen hat,

(21)erhöhe, 30′ das falsche Getreide; auf 15 welches bis zwei Mal

20a.Du gesetzt hast, erhöhe, 7‵30.

(23)10‵ welches Dein Kopf hält,

(24)über 7‵30 was geht es hinaus? 2‵30 geht es darüber hinaus.

(25)2‵30 welches es darüber hinausgeht, aus 8‵20

(26)welches das Getreide über das Getreide hinausgeht,

Vs. II

(1)reiße heraus: 5‵50 hinterlässt Du.

(2)5‵50, welche Du hinterlassen hast,

(3)möge Dein Kopf halten!

(4)40′, die Änderung, und 30′, die Änderung

(5)häufe an: 1°10′. Das igi kenne ich nicht.

(6)Was zu 1°10′ muss ich setzen,

(7)das mir 5‵50, was Dein Kopf hält, gibt?

(8)5‵ setze. 5‵ auf 1°10 erhöhe.

(9)5‵50 gibt es Dir.

(10)5‵ welche Du gesetzt hast, aus15‵ welche bis zwei Mal

(11)Du gesetzt hast, aus eins reiße heraus,

(12)zu eins füge hinzu:

(13)Das erste ist 20‵, das zweite ist 10‵.

(14)20‵ die Fläche des ersten Felds, 10‵ die Fläche des zweiten Felds.

(15)Wenn 20‵ die Fläche des ersten Felds,

(16)10‵ die Fläche des zweiten Felds, ihr Getreide was?

(17)igi 30‵, vom bùr, spalte ab: 2″.

(18)2″ auf 20‵, das Getreide, das er genommen hat,

(19)erhöhe, 40′. Auf 20‵, die Fläche des ersten Felds,

(20)erhöhe, 13‵20 das Getreide von 20‵, die Fläche des zweiten Felds.

(21)igi 30‵, vom zweiten bùr, spalte ab: 2″.

(22)2″ auf 15‵, das Getreide, das er genommen hat, erhöhe, 30′.

(23)30′ auf 10‵, die Fläche des zweiten Felds

(24)erhöhe, 5 das Getreide der Fläche des zweiten Felds.

(25)13‵30 das Getreide der ¿Fläche? des ersten Felds

(26)über 5 das Getreide ¿der Fläche? des zweiten Felds

(27)was geht es darüber hinaus? 8‵20 geht es darüber hinaus.

Diese Aufgabe stammt von einer von zwei Zwillingstafeln, die insgesamt zehn Probleme über die Pacht enthält, die für zwei Felder bezahlt werden. Auf einem Feld ist die Pacht 4 gur Getreide pro bùr, auf dem anderen 3 gur pro bùr. Die vorliegende Aufgabe informiert uns auch darüber, dass die Gesamtfläche 30‵ (sar = 1 bùr) ist, und dass die Differenz zwischen der Pacht der beiden Felder 8‵20 (sìla) beträgt. Die andern Aufgaben geben beispielsweise die beiden Flächen, oder die Differenz der beiden Flächen zusammen mit der gesamten Pacht.

Wie auf Seite 21 erklärt sind das bùr und das gur Einheiten des täglichen Lebens. Um im Sexagesimalsystem rechnen zu können, müssen wir sie in die Standard-Einheiten sar und sìla (1 bùr = 30‵ sar, 1 gur = 5‵ sìla) umwandeln; wie wir sehen, ist der Unterschied zwischen den beiden Pachten bereits in sìla angegeben, und die Gesamtfläche in sar.

Heutige Leser mögen es seltsam finden, dass die beiden Pachten pro bùr, die in Zeilen I.1-2 in gur (pro bùr) angegeben sind, in den Zeilen I.6-7 ohne Multiplikation in sìla umgerechnet sind; im Allgemeinen überspringt der Text, wie wir sehen werden, keine Zwischenschritte. Die Erklärung ist, dass die Umrechnung mit Hilfe einer „metrologischen Tabelle“ (wahrscheinlich eine auswendig gelernte Tafel) gemacht worden ist. Eben weil solche Umrechnungen so oft gemacht werden mussten, hatte der Schreiber Tabellen, die nicht nur die Umrechnungsfaktoren angaben, sondern auch deren Vielfache. Die Babylonier besaßen allerdings keine Tabellen für zusammengesetzte Umrechnungen, und daher benötigt man für die letzte Umrechnung in sìla pro sar eine Rechnung.

Heutige Leser dürften sich ebenfalls darüber wundern, dass der Text nicht ein, sondern zwei Mal den Wert eines bùr in sìla und dessen igi angibt. Einmal mehr ist der Grund dafür der, dass der Text eine altbabylonische Rechentechnik beschreibt: Der Rechner schreibt auf einer kleinen Hilfstafel die drei Zahlen 20 (20‵ sìla pro bùr), 30 (30‶ sar pro bùr) und 2 (2″, igi 30‵) – und danach, mittels einer Multiplikationstabelle das Produkt 40 (20‵ \cdot 2″ = 40′ sìla pro sar).

Eine kleine Erklärung erscheint angebracht, um das Verständnis des Verfahrens zu erleichtern. Der Text bestimmt zuerst, wie groß die Differenz zwischen den beiden Pachten wäre, wenn die beiden Felder die gleiche Fläche hätten, also jedes 15‵ sar. Dieser Unterschied ist nicht groß genug: er beträgt 2‵30 sìla, 5‵50 sìla zu wenig – und folglich muss das erste Feld vergrößert werden. Jedes Mal, wenn ein sar vom zweiten zum ersten Feld dazugegeben wird, wächst die Differenz um 40′+30′ sìla (die beiden „Änderungen“ von II.41); die Anzahl der sar, die man dazugeben muss, wird dann durch eine Division bestimmt.

Am Schluss finden wir eine numerische Verifikation. Solche Verifikationen sind in den altbabylonischen Texten nicht selten, auch wenn ihr Auftreten nicht eine allgemeine Norm ist.

VAT 8390 #1

Vs. I

(1)Länge und Breite habe ich enthalten lassen: 10‵ die Fläche.

(2)Die Länge zu sich selbst habe ich enthalten lassen:

(3)eine Fläche habe ich gebaut.

(4)So viel wie die Länge über die Breite hinausging

(5)habe ich enthalten lassen, bis 9 habe ich wiederholt:

(6)so viel wie jene Fläche welche die Länge mit sich selbst

(7)enthalten lassen worden ist.

(8)Die Länge und die Breite was?

(9)10‵ die Fläche setze,

(10)und 9 (bis zu) was er wiederholt hat, setze:

(11)Die Gleichseite von 9 bis zu der er wiederholt hat, was? 3.

(12)3 zur Länge setze,

(13)3 zur Breite setze.

(14)Weil er „so viel wie die Länge über die Breite hinausging,

(15)habe ich halten lassen,” gesagt hat,

(16)1 aus 3, welche Du zur Breite gesetzt hast,

(17)reiße heraus: 2 hinterlässt Du.

(18)2 welche Du hinterlassen hast, zur Breite setze.

(19)3 welche Du zur Länge gesetzt hast,

(20)auf 2 welche Du ⟨zur⟩ Breite gesetzt hast, erhöhe: 6.

(21)igi 6 spalte ab: 10′.

(22)10′ auf 10‵ die Fläche erhöhe, 1‵40.

(23)Die Gleichseite von 1‵40 was? 10.

Vs. II

(1)10 zu 3, welche Du zu der Länge gesetzt hast,

(2)erhöhe; 30 die Länge.

(3)10 zu 2 welche Du zur Breite gesetzt hast,

(4)erhöhe, 20 die Breite.

(5)Wenn 30 die Länge, 20 die Breite,

(6)die Fläche was?

(7)30 die Länge zu 20 die Breite erhöhe, 10‵ die Fläche.

(8)30 die Länge zusammen mit 30 lasse enthalten: 15‵.

(9)30 die Länge über 20 die Breite, was geht sie hinaus? 10 geht sie hinaus.

(10)10 zusammen mit 10 lasse enthalten: 1‵40.

(11)1‵40 bis 9 wiederhole: 15‵ die Fläche.

(12)15‵ die Fläche, so viel wie 15‵ die Fläche welche die Länge

(13)mit sich selbst enthalten lassen worden ist.

Das folgende Diagramm (Abb. 1) dient zur Unterstützung der Interpretation Der Text erklärt sich dann fast von selbst, insbesondere wenn man sich an BM 13901 #10 (Seite 52) und BM 15285 #24 (Seite 99) erinnert.

Abb. 1: Die Geometrie von VAT 8390 #1.

Abb. 1: Die Geometrie von VAT 8390 #1.

Man sollte die Benutzung der multiplikativen Operationen „enthalten lassen“, „erhöhen“ und „wiederholen“ beachten. Dass „enthalten lassen“ tatsächlich eine Konstruktion beschreibt wird in I.3 betont, wie wir dies bereits in AO 8862 #2 (Seite 66) gesehen haben. Das „Erhöhen“ in I. 20 und II.7 ist besonders interessant: hier wird die Fläche von Rechtecken bestimmt, aber da diese bereits vorliegen, gibt es keinen Grund, sie zu konstruieren. Daher wird die Fläche nur berechnet.

VAT 8520 #1

Vs.

(1)Das 13tel vom Haufen des igûm und des igibûm

(2)bis 6 habe ich wiederholt, vom Innern des igûm

(3)habe ich es abgerissen: 30′ habe ich hinterlassen. 1 die Fläche. Das igûm und das igibûm was?

(4)Weil „das Dreizehntel des Haufens von igûm und igibûm

(5)bis 6 habe ich wiederholt, und vom Innern des igûm

(6)habe ich herausgerissen: 30′ habe ich hinterlassen,“ er gesagt hat,

(7)13, vom Dreizehntel, setze; 6 bis zu welchem er wiederholt hat, setze;

(8)1, die Fläche, setze; und 30′ was er hinterlassen hat, setze.

(9)Aus 13, vom Dreizehntel, 6 bis zu welchem er wiederholt hat,

(10)reiße heraus. 7 hinterlässt Du.

(11)7 die Du hinterlässt und 6 bis zu welchem Du wiederholt hast,

(12)behalte im Kopf!

(13)7 zu 6 erhöhe, 42 zu 1, der Fläche, erhöhe: 42.

(14)42 behalte im Kopf!

(15)13, vom Dreizehntel, auf 30′ was er hinterlassen hat,

(16)erhöhe, 6°30′ brich entzwei: 3°15′.

(17)3°15′ zusammen mit 3°15′ lasse enthalten: 10°33′45″.

(18)Zu 10°33′45″, 42, welches du im Kopf behalten hast,

(19)füge hinzu, 52°33′45″.

(20)Das Gleiche von 52°33′45″ was? 7°15′.

(21)7°15′ und 7°15′, dessen Gegenseite, lege nieder:

(22)3°15′, was Du enthalten lassen hast, vom einen reiße heraus, dem anderen füge hinzu:

(23)Das erste ist 10°30, das andere 4.

(24)Was muss ich zu 7, was Du im Kopf behalten hast, setzen,

(25)das mir 10°30′ gibt? 1°30′ setze. 1°30′ zu 7 erhöhe,

(26)10°30′ gibt es Dir. 1°30′ das du gesetzt hast, ist das igûm.

(27)igi 6, das Dein Kopf hält, spalte ab, 10′.

(28)10′ zu 4 erhöhe, 40′ ist das igibûm.

(29)Weil 1°30′ das igûm ist, 40′ das igibûm, die Fläche ist was?

(30)1°30′, das igûm, zu 40′, dem igibûm, erhöhe, 1 ist die Fläche.

(31)1°30, das igûm, und 40′, das igibûm, häufe an: 2°10′.

Rs.

(1)Das Dreizehntel von 2°10′ was? 10′.

(2)10′ bis 6 wiederhole: 1, von 1°30,

(3)dem igûm, reiße heraus: 30′ hinterlässt Du.

Wie YBC 6967 (Seite 52) dreht sich diese Aufgabe um ein Paar von tabellierten Reziproken. Beide Texte sprechen von deren Produkt in Übereinstimmung mit der geometrischen Darstellung als „der Fläche“. Es gibt aber einen Unterschied: dieses Mal ist das Produkt 1, nicht 1‵ wie in YBC 6967.

Was die mathematische Struktur und Lösung angeht, vergleiche man mit TMS IX #3 (Seite 63).

Erklärung des Übersetzers: Sind x und y = \frac{1}{x} die beiden Reziproken, gilt also xy = 1, dann lautet die zweite Bedingung x - 6 \cdot \frac{1}{13} (x+y) = 0;30. Multiplikation mit 13 verwandelt diese in 13 x - 6(x+y) = 6;30, also 7x - 6y = 6;30.

Str 368

Vs.

(1)Ich habe ein Schilfrohr genommen, sein Maß kenne ich nicht.

(2)1 kùš habe ich abgeschnitten. 1 Sechziger (Schritte entlang) der Länge bin ich gegangen.

(3)Mit dem, was ich abgeschnitten habe, habe ich es vergrößert.

(4)30 (Schritte) damit bin ich (entlang) der Breite gegangen.

(5)6‵15 ist die Fläche. Der Kopf (ursprüngliche Länge) des Schilfrohrs was?

(6)Du, bei Deinem Vorgehen

(7)1‵ und 30 setze. (Für) das Schilfrohr, das Du nicht kennst,

(8)1 setze, auf 1 Sechziger, das Du gegangen bist,

(9)erhöhe: 1‵ ist die falsche Länge.

(10)30 auf diese 1 erhöhe, 30 ist die falsche Breite.

(11)30, die falsche Breite, auf 1‵, die falsche Länge,

(12)erhöhe, 30‵ die falsche Fläche.

(13)30‵ auf 6‵15, die wahre Fläche,

Rs.

(1)erhöhe: 3‷7‶30‵ gibt es Dir.

(2)5′ welche Du abgeschnitten hast, auf die falsche Länge erhöhe,

(3)5 gibt es Dir. 5 auf die falsche Breite erhöhe,

(4)2‵30 gibt es Dir. \frac{1}{2} von 2‵30 brich ab, 1‵15

(5)1‵15 stelle gegenüber, 1‶33‵45

(6)zu 3‷7‶30‵ füge hinzu, 3‷9‶3‵45.

(7)Was ist gleich? 13‵45 ist gleich.

(8)1‵15 welches Du gegenüber gestellt hast, zum Innern füge hinzu,

(9)15‵ gibt es Dir. igi 30‵, die falsche Fläche, spalte ab, 2″.

(10)2″ auf 15‵ erhöhe, 30′ ist der Kopf des Schilfrohrs.

Dies ist die Rechtecksversion des „abgebrochenen Schilfrohrs“ (siehe Seite 75), ähnlich zu VAT 7532. In dieser Variante ist das Feld rechteckig, und das Schilfrohr bricht nur einmal ab.

YBC 6504 #1

Vs.

(1)So viel wie Länge über Breite hinausgeht, habe ich gegenüber gestellt, vom Innern der Fläche

(2)habe ich es herausgerissen: 8′20″. Länge über Breite, 10′ geht sie hinaus.

(3)Bei Deinem Verfahren, 10′ lasse enthalten:

(4)1′40″ zu 8′20″ füge hinzu: 10′ setzt Du.

(5)Die Hälfte von 10′ brich ab: 5′ setzt Du.

(6)5′ lasse enthalten: 25″ setzt Du.

(7)25″, die Fläche, zu 10′ füge hinzu: 10′25″ setzt Du.

(8)Bei 10′25″, 25′ ist gleich. 5′ zu 25′ füge hinzu:

(9)30′, die Länge, setzt Du. 5′ aus 25′ reiße heraus:

(10)20′, die Breite, setzt Du.

Diese Aufgabe dreht sich um dasselbe verstümmelte Rechteck wie #4 derselben Tafel (siehe Seite 87): Tatsächlich repräsentieren die vier Probleme der Tafel eine interessante Variante der geschlossenen Gruppe, bei welcher die „Fläche“ eines Rechtecks zusammen mit der Länge, der Breite, der Summe der Seiten oder ihrer Differenz gegeben ist (siehe Fußnote 4, Seite 114). Auf der vorliegenden Tafel ist die „Fläche“ überall durch dasselbe verstümmelte Rechteck ersetzt.

Bei dieser ersten Aufgabe kennen wir die Seite des Quadrats, das „herausgerissen“ worden ist. Man kann sie daher leicht auf den Typ reduzieren, den wir von YBC 6967 (Seite 52) her kennen. Beim Verfolgen der Operationen sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Zahl 10′ in zwei verschiedenen Rollen auftritt.

Hier geht das „Hinzufügen“ dem „Herausreißen“ ausnahmsweise voraus. Die Tafel scheint aus derselben frühen Phase und Textgruppe zu stammen wie AO 8862, und es teilt diese Besonderheit mit drei Texten aus Eshnunna (die also zu einer noch früheren Phase gehören). Es scheint tatsächlich so zu sein, dass die Schule verantwortlich für die Forderung ist, dass Operationen immer eine konkrete Bedeutung haben sollten, ebenso wie sie verantwortlich für die Ächtung von breiten Linien ist (siehe S. 68, Fußnote 2) – diese Forderung ist kein Beleg für „einen primitiven Intellekt, der noch nicht zur Abstraktion bereits ist“, wie man bisweilen angenommen hat, sondern für einen kritischen Geist, der über die Rechtfertigung der gemachten Schritte nachdenkt.

YBC 6504 #3

Rs.

(1)So viel wie Länge über ⟨Breite⟩ hinausgeht, gegenübergestellt, aus dem Inneren der Fläche habe ich herausgerissen,

(2)8′20″. 30′ die Länge, seine Breite, was?

(3)30′ gegenübergestellt: 15′ setzt Du.

(4)8′20″ aus dem Innern von 15′ reißt Du heraus, 6′40″ setzt Du.

(5)Die Hälfte von 30′ brichst Du:

(6)15′ gegenübergestellt: 3′45″ setzt Du.

(7)3′45″ zu 6′40″ fügst Du hinzu: 10′25″ setzt Du.

(8)Bei 10′25″, 25′ ist gleich. 15′ aus 25′ reißt Du heraus:

(9)10′ setzt Du. 10′ aus 30′ reißt Du heraus:

(10)20′, die Breite, setzt Du.

Dies ist das dritte Problem von derselben Tafel. Es benutzt einen Trick, der sowohl elegant ist, als auch weitab jeder Routine liegt (siehe Abb. 2): Elimination des verstümmelten Rechtecks vom Quadrat \square (ℓ) über der Länge lässt einen Rest, der in ein Quadrat \square (ℓ-w) und ein Rechteck \sqsubset \hspace{-1.99997pt}\sqsupset \!\! (ℓ-w, 30′) zerlegt werden kann. Diese beiden können, wie im Diagramm gezeigt, in ein Gnomon verwandelt werden. Wir können den Prozess als „Wechsel der Variablen“ betrachten – das Problem dreht sich nun um ein Quadrat \square (ℓ-w) und 30′ seiner Seite, und seine Lösung folgt der Standardprozedur für solche Fälle.

Abb. 2: Die Geometrie hinter YBC 6504 #3, in leicht veränderten Proportionen.

Abb. 2: Die Geometrie hinter YBC 6504 #3, in leicht veränderten Proportionen.

BM 85200+VAT 6599 #23

Rs. I

(19)Eine Ausgrabung. So viel wie ich gegenüber gestellt habe, und 1 kùš, darüber hinausgehend, das ist die Tiefe. 1°45′ Erde habe ich herausgerissen.

(20)Du, 5′, was darüber hinausgeht, auf 1, die Umrechnung, erhöhe, 5′ siehst Du; auf 12 erhöhe, 1 siehst Du.

(21)5′ stelle sich selbst gegenüber, 25″ siehst Du. 25″ auf 1 erhöhe, 25″ siehst Du. igi 25 spalte ab,

(22)2‵24 siehst Du. 2‵24 auf 1°45′ erhöhe, 4‵12 siehst Du.

(23)Von „gleich, 1 hinzugefügt“ 6 ¿1? ist/sind gleich. 6 auf 5′ erhöhe, 30′ siehst Du, steht sich gegenüber. 6 (fehlerhaft für 7) die Tiefe.

(24)Das Verfahren.

Dieses Problem stammt von derselben Tafel wie das „Ausgrabungsproblem“, BM 85200+VAT 6599 #6 das wir oben (Seite 95) besprochen haben, und dessen Lösung denselben Prinzipien folgt. Jetzt ist der „Grund“ ein Quadrat, und die Tiefe ist 1 kùš größer als die Seite. Als „Vergleichskörper“ wird ein Würfel der Kantenlänge 1 kùš gewählt, was die Benutzung einer Tabelle von Zahlen der Form {n^2}\cdot (n+1) erlaubt, welche „gleich, 1 hinzugefügt“ genannt werden. Solche Tabellen sind gefunden worden.

Db2–146

Vs.

(1)Wenn Dich jemand über eine Diagonale (eines Rechtecks) fragt

(2)so: 1°15 die Diagonale, 45′ die Fläche,

(3)Länge und Breite entsprechend was? Du, bei Deiner Lösung,

(4)1°15′, Deine Diagonale, deren Gegenseite lege nieder,

(5)lasse sie enthalten: 1°33′45″ kommt heraus.

(6)1°33′45″ ¿möge Deine? Hand ¿halten?

(7)45′ Deine Fläche zu Zwei bringe: 1°30′ kommt heraus.

(8)Von 1°33′45″ schneide ab: {…} 3′45″ der Rest.

(9)Das Gleiche von 3′45″ nimm: 15′ kommt heraus. Dessen halber Teil

(10)7′30″ kommt heraus, auf 7′30″ erhöhe: 56″15‴ kommt heraus

(11)56″15‴ Deine Hand. 45′ Deine Fläche über Deiner Hand;

(12)45′56″15‴ kommt heraus. Das Gleiche von 45′56″15‴ nimm:

(13)52′30″ kommt heraus, 52′30″ dessen Gegenseite lege nieder;

(14)7′30″ das Du enthalten lassen hast, zu Eins

(15)füge hinzu, von Eins

(16)schneide ab. 1 Deine Länge, 45 die Breite. Wenn 1 die Länge,

(17)45 die Breite, die Fläche und die Diagonale entsprechend was?

(18)Du, in Deinem Verfahren, lass die Länge enthalten;

(19)1 kommt heraus ...behalte es im Kopf.

Rs.

(20)… : 45′, die Breite, lass enthalten:

(21)33′45″ kommt heraus. Zu Deiner Länge füge hinzu:

(22)1°33′45″ kommt heraus. Das Gleiche von 1°33′45″ nimm:

(23)1°15′ kommt heraus. 1°15′ Deine Diagonale. Deine Länge

(24)auf die Breite erhöhe, 45′ Deine Fläche.

(25)So ist das Verfahren.

Dies ist einer der Texte aus der Gegend von Eshnunna, und er gehört daher zur frühesten Phase (und er benutzt, wie wir sehen, die Phrase „füge zum einen hinzu, schneide vom anderen ab“ und respektiert so die „Konkretheitsnorm“ nicht). Er kann relativ genau auf ca. 1775 v.Chr. datiert werden.

Abb. 3

Abb. 3

Das Problem ist eines der Rätsel welche die altbabylonische Schule von den akkadischen Feldmessern übernommen hat (siehe Seite 112 und 113); es taucht in einem hebräischen Handbuch aus dem Jahre 1116 n.Chr. wieder auf, wo es 1900 Jahre später auf genau dieselbe Art gelöst wird. Im Text stellen wir einige Hinweise auf diesen Ursprung fest, etwa die einführende Passage „Wenn Dich jemand nach einer Diagonale (eines Rechtecks) fragt“ und der Verweis auf das Quadrat über der Seite in Zeile 21 einfach durch „Deine Länge“; beide Merkmale klingen auch in in BM 13901 #23 an.

Abb. 4: Die Geometrie von Db2-146.

Abb. 4: Die Geometrie von Db2-146.

In den Zeilen 1-9 wird der Unterschied zwischen der Länge und der Breite des Rechtecks bestimmt; die Methode ist im oberen Teil von Abb. 4 dargestellt. Danach werden die Seiten aus dieser Differenz und der Fläche nach der Prozedur bestimmt, die wir bereits sehr gut kennen, etwa von YBC 6967 (siehe Seite 52), und welche dem unteren Diagramm in der Abbildung entspricht. (Die Benutzung des „Erhöhens“ in Zeile 10 der Rückseite zeigt jedoch, dass die Prozedur von dem bereits existierenden oberen Diagramm unterstützt wird.)

Die „Hand“ in Zeilen 6 und 11 ist ein Verweis auf das Rechenbrett, auf dem der Rechner seine Additionen und Subtraktionen ausgeführt hat. Der „halbe Teil“ in Zeile 9 (muttatum) ist ein Synonym für das „Halbe“.

Am Schluss haben wir eine Probe mit einer unmissverständlichen Spur der „pythagoreischen Regel“ in einer abstrakten Formulierung (die Länge lasse enthalten, ohne die übliche Identifizierung mit ihrem numerischen Wert).

Fußnoten

Die Tafel ist an dieser Stelle beschädigt, aber die Spuren der vorhandenen Zeichens könnten von dem Wort takkirtum stammen, das „Wechsel“ oder „Änderung“ bedeutet, aber nicht in anderen mathematischen Texten auftaucht. Jedenfalls berührt dieser philologische Zweifel nicht die Interpretation des mathematischen Verfahrens.