7 Strom aus der Wüste: Grundlagen des DESERTEC Konzepts

Franz Trieb, Hans Müller-Steinhagen

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DOI

10.34663/9783945561188-09

Citation

Trieb, Franz and Müller-Steinhagen, Hans (2011). Strom aus der Wüste: Grundlagen des DESERTEC Konzepts. In: Herausforderung Energie: Ausgewählte Vorträge der 126. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e.V. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

7.1 Kurzfassung

Das vorliegende Paper zeigt die Perspektive einer nachhaltigen Bereitstellung von Strom und Trinkwasser für Europa (EU), den Mittleren Osten (ME) und Nordafrika (NA) und die entsprechende Wandlung des Versorgungssektors bis zum Jahr 2050. Es wird gezeigt, dass mit erneuerbaren Energiequellen und Effizienzgewinnen sowie der Nutzung fossiler Brennstoffe zum Ausgleich von Angebots- und Bedarfsengpässen ein Wechsel zu einer konkurrenzfähigen, sicheren und umweltkompatiblen Energieversorgung möglich ist.

Eine Schlüsselrolle für das wirtschaftliche und physische Überleben der gesamten Region kommt der engen Kooperation zwischen der EU und den Staaten des Mittleren Ostens und Nordafrikas (MENA) bei der Markteinführung erneuerbarer Energie und der Zusammenschaltung von Stromnetzen durch Hochspannungsgleichstrom-Übertragung (HGÜ) zu.

Da mindestens zwei Jahrzehnte benötigt werden, bis die notwendigen Maßnahmen volkswirtschaftlich wirksam werden, sind unmittelbar politische Entscheidungen zur Schaffung geeigneter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen notwendig, die hier skizziert werden.

7.2 Einleitung

Um den Übergang zu einer Energieversorgung realisieren zu können, die kostengünstig und umweltverträglich ist und auf gesicherten Ressourcen beruht, müssen strenge Kriterien angelegt werden, die sicherstellen, dass die Ergebnisse mit einer umfassenden Definition von Nachhaltigkeit verträglich sind.

Ein zentrales Kriterium für die Elektrizitätserzeugung ist ihre stets bedarfsgerechte Verfügbarkeit. Zum derzeitigen Zeitpunkt wird dies durch den Verbrauch gespeicherter fossiler oder nuklearer Energiequellen erreicht, aus denen Energie bereitgestellt werden kann, egal wann und wo sie benötigt wird. Dies stellt die einfachste Art der bedarfsorientierten Energieversorgung dar. Allerdings zahlen wir für den Verbrauch der gespeicherten Energiereserven unseres Planeten einen hohen Preis: Sie werden in absehbarer Zeit erschöpft sein und ihre Abfallprodukte verschmutzen den Globus.

Sicher verschiedene, sich ergänzende Quellen und Reserven
elektrische Leistung nach Bedarf
langfristig verfügbare Ressourcen
sichtbare und zeitnah ausbaubare Technologie
Kostengünstig niedrige Kosten
keine langfristigen Subventionen
Kompatibel geringe Emissionen
Klimaschutz
geringe Risiken
fairer Zugang

Tab. 7.1: Angelegte Nachhaltigkeitskriterien für die Stromerzeugung

Tab. 7.1: Angelegte Nachhaltigkeitskriterien für die Stromerzeugung

ideal gespeicherte Energieträger Kohle, Braunkohle
Erdöl, Erdgas
Kernpaltung, Kernfusion
speicherbare Energieträger Wasserkraft
Biomasse
Solarthermische Kraftwerke
Geothermie (Hot Dry Rock)
flukturierende Energieträger Windenergie
Photovoltaik
Wellen, Gezeiten

Tab. 7.2: Portfolio von Technologien und Ressourcen für die Stromerzeugung

Tab. 7.2: Portfolio von Technologien und Ressourcen für die Stromerzeugung

Mit Ausnahme der Wasserkraft ist die Nutzung der existierenden natürlichen Energieflüsse für die Stromerzeugung bislang nicht weit verbreitet, weil sie sich verglichen mit fossilen und nuklearen Brennstoffen weniger leicht ausbeuten und speichern lassen.

Einige dieser Stromquellen können mit einem verträglichen Maß an technischem Aufwand über einen begrenzten Zeitraum gespeichert werden, andere wiederum können nur in Abhängigkeit ihrer Bereitstellung durch die Natur unmittelbar genutzt werden (Tabelle 7.1, Tabelle 7.2). Die Herausforderung an die Stromversorgung der Zukunft ist es, eine Mischung aus vorhandenen Technologien und Ressourcen zu finden, die in der Lage ist, neben dem Kriterium der Verfügbarkeit nach Bedarf auch sämtliche anderen Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen.

Das Paper entwirft ein Szenario von Möglichkeiten zur Deckung des Strombedarfs und zur Stromversorgung in der integrierten EUMENA Region bis zur Mitte des Jahrhunderts und unterstreicht die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit mit dem Ziel wirtschaftlicher und umweltverträglicher Nachhaltigkeit [1,2].

7.3 Steigender Strom-und Wasserbedarf

In einem ersten Schritt bestimmen wir in unserer Analyse den Strombedarf in Europa und MENA und seine Entwicklung bis zur Mitte des Jahrhunderts. Teil der Energieproblematik ist auch das wachsende Trinkwasserdefizit in MENA, demzufolge ein steigender Bedarf an energieintensiver Meerwasserentsalzung auftreten wird. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass die für die Entsalzung benötigte Energie langfristig ebenfalls durch Strom bereitgestellt wird, z.B. für die Umkehrosmose, so dass wir die entsprechenden notwendigen Energiemengen addieren können.

Abb. 7.1: Szenario des Strombedarfs für die in der vorliegenden Studie untersuchten MENA-Länder [1].

Abb. 7.1: Szenario des Strombedarfs für die in der vorliegenden Studie untersuchten MENA-Länder [1].

Abb. 7.2: Szenario des Strombedarfs für die in der vorliegenden Studie untersuchten Länder Europas [2].

Abb. 7.2: Szenario des Strombedarfs für die in der vorliegenden Studie untersuchten Länder Europas [2].

Abb. 7.3: Trinkwasserdefizit, definiert als die Differenz zwischen Wasserbedarf und erneuerbaren Trinkwasserreserven für jedes der MENA-Länder [3].

Abb. 7.3: Trinkwasserdefizit, definiert als die Differenz zwischen Wasserbedarf und erneuerbaren Trinkwasserreserven für jedes der MENA-Länder [3].

Hauptursache des Strom- und Wasserverbrauchs ist das Bevölkerungswachstum. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge wird die Bevölkerung in der Region Europa mit ca. 600 Mio. in etwa stabil bleiben, während die Region MENA von 300 Mio. im Jahr 2000 auf ebenfalls 600 Mio. bis zur Jahrhundertmitte anwachsen wird [4].

Ein zweiter Faktor ist das Wirtschaftswachstum, das mit zwei gegensätzlichen Effekten auf den Strom- und Wasserbedarf einhergeht: Einerseits steigt der Bedarf, weil neue Serviceangebote in einer sich entwickelnden Wirtschaft entstehen. Andererseits nimmt die Effizienz von Produktion, Verteilung und Endverbrauch zu, was die Bereitstellung von mehr Serviceangeboten bei gleicher Energiemenge erlaubt. In den vergangenen Jahrzehnten ließ sich bei allen Industrienationen charakteristischerweise eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums und des Energiebedarfs beobachten. Um sich Maßnahmen zur Effizienzsteigerung leisten zu können, muss zunächst ein gewisses wirtschaftliches Niveau jenseits des bloßen Existenzbedarfs erreicht sein. Diese Prämisse trifft inzwischen auf die meisten EUMENA Länder zu. Für die Bedarfsuntersuchung siehe [5].

Unsere Analyse zeigt, dass bis zum Jahr 2050 der Stromverbrauch im Mittleren Osten und Nordafrika wahrscheinlich ca. 3000 TWh/a (Abbildung 7.1) betragen wird, also mit dem derzeitigen Konsum in Europa vergleichbar sein wird. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass auch der Europäische Verbrauch weiter ansteigen wird und sich bei einem Wert von ungefähr 4000 TWh/a (Abbildung 7.2) stabilisiert. Aufgrund der steigenden Effizienzgewinne ergibt unser Modell niedrigere Werte hinsichtlich des vorhergesagten Bedarfs als die Mehrzahl existierender Szenarien [6-9]. Andererseits gibt es auch Szenarien, die von einem noch niedrigeren Bedarf ausgehen [10,11]. Die Reduktion des Bedarfs in Europa nach 2040 (wie Abbildung 7.2 zeigt) ist jedoch ungewiss. Ebenso ist eine Stagnation oder ein leicht anwachsender Bedarf möglich, da Effizienzgewinne für neue energieintensive Dienstleistungen benötigt werden (beispielsweise Elektromobilität oder Wasserstoffantriebe für den Transportsektor). Solche denkbaren Paradigmenwechsel finden hier keine Berücksichtigung.

Eine ähnliche Analyse ist für den Wassersektor in MENA-Ländern durchgeführt worden [12]. Die Differenz zwischen verfügbaren, erneuerbaren Trinkwasserressourcen und dem wachsenden Wasserbedarf führt zu dem Wasserdefizit, das in Abbildung 7.3 dargestellt ist. Bereits heute existiert ein deutliches Defizit, dem nur unzureichend durch Meerwasser-Entsalzung mithilfe fossiler Brennstoffe und hauptsächlich mit einer Überausbeutung der Grundwasserressourcen begegnet wird. In vielen Regionen innerhalb der MENA Länder führt dies zu einem Absinken des Grundwasserspiegels, zum Eindringen von Salzwasser in die Grundwasserreservoire und zu einer schnellen Ausdehnung der Wüsten.

Unserer Prognose zufolge tendiert dieses Defizit dazu, von den gegenwärtigen 60 Milliarden m³ pro Jahr, die fast dem jährlichen Durchlauf des Nils entsprechen, auf 150 Milliarden m³ im Jahr 2050 anzusteigen. Ägypten, Saudi Arabien, Jemen und Syrien sind die Länder mit den größten Defiziten. Die Grundannahmen unseres Szenarios beinhalten bereits eine Verbesserung der Effizienz der Wasserverteilung, Aufbereitung und Wiederverwendung sowie ein verbessertes Wassermanagement, um hohe Qualitätsstandards zu erreichen. Es ist offensichtlich, dass die MENA Länder in nicht allzu ferner Zukunft vor einem sehr ernsten Problem stehen, wenn diese Maßnahmen sowie notwendige zusätzliche Maßnahmen nicht rechtzeitig getroffen werden. Meerwasserentsalzung ist eine dieser zusätzlichen Optionen. Angenommen, dass durchschnittlich 3.5 kWh Strom für die Entsalzung von einem Kubikmeter Meerwasser benötigt werden, würde dies einen zusätzlichen Bedarf an fast 550 TWh/Jahr bis 2050 für die Entsalzung bedeuten. Dies entspricht dem aktuellen Strombedarf eines Landes wie Deutschland [12].

7.4 Verfügbare Ressourcen und Technologien

In der Finanz- und Versicherungsbranche gibt es eine klare Antwort auf die Frage des Risiko-Managements: die Diversifizierung des Anlagenbestands [13]. Diese simple Wahrheit ist im Energiesektor bisher völlig ignoriert worden. Hier wurden Investitionsentscheidungen vorrangig nach den Kriterien „geringste Kosten“ und „bewährte Technologie“ getroffen und das Portfolio war üblicherweise auf fossile Brennstoffe, Wasser- und Kernkraft beschränkt. Diese kurzsichtige Politik ist sowohl für die Konsumenten als auch für die Umwelt schädlich: die Preise aller Arten fossiler Brennstoffe und von Uran haben sich seit dem Jahr 2000 um ein Vielfaches erhöht und das Verbrennen dieser Stoffe verschmutzt die globale Atmosphäre in einem nicht mehr akzeptablen Maße.

Zurzeit haben Stromverbraucher und Steuerzahler in den meisten Ländern in EUMENA keine andere Wahl als die sich ständig erhöhenden Kosten fossiler Brennstoffe zu zahlen, denn durch die Energiepolitik der Vergangenheit ist versäumt worden, rechtzeitig Alternativen aufzubauen und diese als Teil des Energiemarktes zu etablieren. Das Ganze wird noch durch die Tatsache verschlimmert, dass fossile und nukleare Energietechnologien auch heute noch etwa 75 % der öffentlichen Zuschüsse im Energiesektor [14] erhalten, eine Zahl, die auf über 90 % ansteigen würde, rechnete man externe Kosten - die in der Regel den Steuerzahler, aber nicht den Stromverbraucher belasten - ebenfalls als versteckte Subvention dazu.

Trotzdem steht heute ein beeindruckendes Portfolio an erneuerbaren Energietechnologien zur Verfügung [15]. Einige davon erzeugen einen fluktuierenden Output, beispielsweise Windkraft- und Photovoltaikanlagen (PV), andere dagegen wie Biomasse, Wasserkraft und konzentrierende solarthermische Kraftwerke (CSP) können sowohl elektrische Spitzen- als auch Grundlast nach Bedarf bereitstellen (Tabelle 7.3). Das langfristige wirtschaftliche Potenzial von erneuerbaren Energien ist in EUMENA viel größer als der derzeitige Bedarf, und insbesondere das Potenzial der Solarenergie stellt alle anderen Quellen buchstäblich in den Schatten. Bis zu 250 GWh Strom können von jedem km2 Wüste mittels solarthermischer Kraftwerke jährlich gewonnen werden. Dies ist 250 Mal mehr als per Energiepflanzen pro km2 Biomasse oder 5 Mal mehr als aus den besten vorhandenen Wind- oder Wasserkraftproduktionsstätten gewonnen werden kann. Jeder Quadratkilometer Land in MENA erhält eine Menge Solarenergie, die 1.5 Millionen Fässern Erdöl entspricht.1 Ein Feld mit konzentrierenden Solarkollektoren von der Größe des Nasser-Sees in Ägypten (Assuan Damm) wäre in der Lage, eine Energiemenge zu ernten, die der gesamten derzeitigen Erdölproduktion des Mittleren Ostens entspricht.2

Außerdem gibt es noch andere große erneuerbare Energiequellen in EUMENA: es existiert ein Potenzial von 2000 TWh an Windenergie und weitere 4000 TWh/Jahr an Energie aus geothermalen Quellen, Wasserkraft und Biomasse, die auch landwirtschaftlichen und städtischen Abfall einschließen. Auch Photovoltaik, Wellen- und Gezeitenkraft kommt ein beachtliches Potenzial in der Region zu. Im Gegensatz zu fossilen und nuklearen Brennstoffen sind erneuerbare Energiequellen in der Region im Überfluss vorhanden. Allerdings weist jede dieser erneuerbaren Energiequellen eine spezifische geografische Verteilung auf (Abbildung 7.4).

Abb. 7.4: Karte erneuerbarer Energiequellen für EUMENA, mit minimalem und maximalem jährlichen Energieertrag (in Klammern spezifiziert), der mit Hilfe jeder Technologie aus jeweils 1 km2 Landfläche gewonnen werden kann. Solarenergie beinhaltet sowohl photovoltaische als auch konzentrierende solarthermische Energietechnologien. Das Gesamtpotenzial und die verschiedenen Charakteristiken jeder Ressource sind in Tabelle 7.3 aufgeführt [1].

Abb. 7.4: Karte erneuerbarer Energiequellen für EUMENA, mit minimalem und maximalem jährlichen Energieertrag (in Klammern spezifiziert), der mit Hilfe jeder Technologie aus jeweils 1 km2 Landfläche gewonnen werden kann. Solarenergie beinhaltet sowohl photovoltaische als auch konzentrierende solarthermische Energietechnologien. Das Gesamtpotenzial und die verschiedenen Charakteristiken jeder Ressource sind in Tabelle 7.3 aufgeführt [1].

Leistungs- klasse Leistungs- kredit Kapazitäts- faktor Ressource Anwendungen Bemerkung
Windkraft 1 kW–5 MW 0–30% 15–50% kinetische Energie des Windes Strom fluktuierend, angebotsbestimmt
Photovoltaik 1 W–5 MW 0% 15–25% direkte und diffuse Strahlung auf eine entsprechend dem Breitengrad geeingnete Fläche Strom fluktuierend, angebotsbestimmt
Biomasse 1 kW–25 MW 50–90% 40–90% Biogas aus biologischen Abfällen, feste Biomasse aus Holz und Agrarprodukten Strom und Wärme saisonale Schwankungen, gut speicherbar, bedarfsbestimmt
Geothermie, Hot Dry Rock 25–50 MW 90% 40–90% Wärme aus Gesteinen in mehreren 1000 Metern Tiefe Strom und Wärme keine Schwankungen, bedarfsbestimmt
Wasserkraft 1 kW–1000 MW 50–90% 10–90% kinetische Energie und Druck aus Laufwasser und Speicherseen Strom saisonale Schwankungen, gut speicherbar, auch als Pumpspeicher für andere Quellen

Tab. 7.3: Eigenschaften derzeitiger Stromerzeugungstechnologien, * Beitrag installierter Leistung zugesicherter Leistung, ** mittlere jährliche Auslastung

Tab. 7.3: Eigenschaften derzeitiger Stromerzeugungstechnologien, * Beitrag installierter Leistung zugesicherter Leistung, ** mittlere jährliche Auslastung

Aufwind- kraftwerk 100–200 MW 10–70% je nach Speicher 20–70% Direkte und diffuse Strahlung auf eine horizontale Fläche Strom saisonale Schwankungen, gut speicherbar, Grundlast
Solarthermische Kraftwerke 10 kW–200 MW 0–90% je nach Speichergröße und Hybridbetrieb 20–90% Direkte Strahlung auf eine der Sonne nachgeführteFläche Strom und Wärme solare Schwankungen durch Speicher und Hybridbetrieb ausgleichbar, bedarfsbestimmt
Gasturbine 0,5–100 MW 90% 10–90% Erdgas, Heizöl Strom und Wärme bedarfsbestimmt
Dampfkraftwerk 5–500 MW 90% 40–90% Kohle, Braunkohle, Erdgas, Heizöl Strom und Wärme bedarfsbestimmt
Atomkraftwerk 5>500 MW 90% 90% Uran Strom und Wärme Grundlast

Tab. 7.4: Eigenschaften derzeitiger Stromerzeugungstechnologien, * Beitrag installierter Leistung zugesicherter Leistung, ** mittlere jährliche Auslastung

Tab. 7.4: Eigenschaften derzeitiger Stromerzeugungstechnologien, * Beitrag installierter Leistung zugesicherter Leistung, ** mittlere jährliche Auslastung

Jedes Land besitzt deshalb seine individuelle Mischung von Ressourcen, wobei Wasserkraft, Biomasse und Windenergie die bevorzugten Quellen im Norden und Sonnen- und Windenergie die stärksten Quellen im Süden der EUMENA-Region sind.

Abb. 7.5: Portfolio verfügbarer erneuerbarer Technologien zur Stromerzeugung (Quelle: BMU, DLR)

Abb. 7.5: Portfolio verfügbarer erneuerbarer Technologien zur Stromerzeugung (Quelle: BMU, DLR)

Abb. 7.6: Ein Beispiel moderner Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung in China (Quelle: ABB)

Abb. 7.6: Ein Beispiel moderner Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung in China (Quelle: ABB)

Fossile Energiequellen wie Kohle, Erdöl und Erdgas stellen eine nützliche Ergänzung zu dem Mix aus erneuerbarer Energie dar, da sie perfekt gespeicherte Energieformen sind, die leicht zum Energieausgleich und zur Absicherung der Netzstabilität genutzt werden können. Wenn ihr Verbrauch bis zu dem Punkt gedrosselt werden kann, an dem sie ausschließlich als Reservekapazität dienen, wird voraussichtlich ihr Preisanstieg gebremst und daraus eine nur geringe Belastung für die wirtschaftliche Entwicklung resultieren, und ihr Umwelteinfluss wird minimiert. Darüber hinaus wird ihre Verfügbarkeit um Jahrzehnte, wenn nicht sogar um Jahrhunderte verlängert.

Kernkraftwerke dagegen sind für eine Kombination mit erneuerbaren Energien weniger gut geeignet, weil ihre Erzeugung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht dem fluktuierenden Bedarf angepasst werden kann. Weiterhin übersteigen die Stilllegungskosten von Kernkraftwerken die Baukosten [16]. Sogar ein halbes Jahrhundert nach ihrer Markteinführung bestehen weiterhin ungelöste Probleme wie beispielsweise die unkontrollierte Verbreitung von Plutonium und die Beseitigung von Atommüll. Die zweite nukleare Option, die Kernfusion, wird aller Voraussicht nach nicht vor 2050 marktfähig sein und ist deshalb für unser Szenario nicht relevant [17].

Einige erneuerbare Energietechnologien sind ebenfalls in der Lage, Grund- und Spitzenlast zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören geothermale Systeme (z.B. das Hot Dry Rock Verfahren), die sich derzeit noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase befinden, große Wasserkraftwerke in Norwegen, Island und den Alpen, die meisten Biomasse-Anlagen und konzentrierende solarthermische Kraftwerke (CSP) in MENA. Letztere nutzen als solar betriebene Dampfkraftwerke die hohe jährliche Sonnenscheindauer in dieser Region, die Möglichkeit solar-thermischer Energiespeicherung für den Nachtbetrieb und die Option der Zufeuerung mit fossilen Brennstoffen oder Biomasse. In Europa ist CSP starken saisonalen Schwankungen unterworfen. Ein konstanter Output für die Grundlast kann nur unter Zuhilfenahme eines beträchtlichen Anteils an fossilen Brennstoffen geleistet werden. Aufgrund der stärkeren und über das Jahr gleichmäßigeren Sonnenstrahlung in MENA sind die Kosten konzentrierender Solarenergie dort üblicherweise niedriger und ihre Verfügbarkeit ist besser als in Europa. Deshalb existiert ein bedeutender Markt für Sonnenstromimporte, die die heimischen europäischen Quellen ergänzen und jederzeit verfügbare (Regel-)Leistung zu wettbewerbsfähigen Preisen bereitstellen können.

7.5 Konzentrierende Solarenergie als Schlüsselelement im Energiemix

Mit Kohle, Uran, Erdöl und Erdgas betriebene Dampf- und Gasturbinen sind die heutigen Garanten für elektrische Netzstabilität, indem sie sowohl Grund- als auch Spitzenlast erzeugen. Allerdings können Turbinen auch mithilfe hoch temperierter Hitze aus konzentrierenden Solarkollektor-Feldern (Abbildung 7.7) angetrieben werden. Kraftwerke dieses Typs mit 30-80 MW Leistung sind in Kalifornien bereits seit 20 Jahren erfolgreich im Einsatz und neue Kraftwerke werden derzeit in den USA, Spanien und weiteren Ländern errichtet. Bis 2015 könnten weltweit etwa 10 GW Leistung installiert werden, bis 2015 sogar 60-100 GW, derzeit ist etwa 1 GW in Betrieb. Konzentrierende Solarkollektoren sind effiziente Brennstoffsparer in Dampfkraftwerken. Laut einer aktuellen Studie könnten die heutigen Stromtarife für Solarstrom in Spanien von etwa 27 ct/kWh bis 2020 auf unter 10 ct/kWh sinken [18].

Ebenso wie konventionelle Kraftwerke können solarthermische Kraftwerke Grund- und Spitzenlaststrom (sowie auch Regelleistung) liefern, indem sie tagsüber Sonnenschein nutzen, nachts thermische Energiespeicher verwenden und im Falle längerer Phasen ohne Sonnenschein auf fossile Brennstoffe oder Biomasse als Wärmequelle zurückgreifen. Wie herkömmliche Kraftwerke, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, ist die Verfügbarkeit von CSP Kraftwerken nahezu 100 %, allerdings bei deutlich niedrigerem Brennstoffverbrauch. Zwei CSP Kraftwerke mit thermischen Energiespeichern für zusätzliche acht Stunden Betriebszeit bei voller Last werden seit einigen Jahren in der spanischen Sierra Nevada bei Guadix betrieben. Diese Anlagen (ANDASOL 1&2) mit einer Kapazität von jeweils 50 MW haben einen jährlichen Solaranteil der Stromerzeugung von 85 %, der Rest wird mit Erdgas erzeugt

Ein weiteres Merkmal zeichnet solarthermische Kraftwerke aus: die Möglichkeit der kombinierten Erzeugung von Strom und Wärme, um die höchstmögliche Effizienz für die Energieumwandlung zu erreichen. Neben Strom können solche Anlagen auch Dampf für Absorptionskältemaschinen (AC), industrielle Prozesswärme oder thermische Meerwasserentsalzung (MED) liefern. Eine Machbarkeitsstudie für solche Anlagen in fünf Ländern der Mittelmeerregion wurde im Mai 2010 erfolgreich abgeschlossen [19].

Abb. 7.7: Links: Konfiguration eines konzentrierenden Solarkraftwerks mit Kraft-Wärme-Kopplung für Kälteerzeugung (absorption chiller AC) and Meerwasserentsalzung (multi-effect desalination MED). Mitte oben: Linear Fresnel Kollektorfeld der Firma Novatec bei Murcia, Spanien. Mitte unten: Wärmespeicher und Parabolrinnenkollektoren im andalusischen Solarkraftwerk ANDASOL 1, Rechts unten: Solarturmkraftwerk CESA 1 in Almeria. Rechts oben: ANDASOL 1 und 2 (Quellen: Novatec, Cobra S.A., DLR).

Abb. 7.7: Links: Konfiguration eines konzentrierenden Solarkraftwerks mit Kraft-Wärme-Kopplung für Kälteerzeugung (absorption chiller AC) and Meerwasserentsalzung (multi-effect desalination MED). Mitte oben: Linear Fresnel Kollektorfeld der Firma Novatec bei Murcia, Spanien. Mitte unten: Wärmespeicher und Parabolrinnenkollektoren im andalusischen Solarkraftwerk ANDASOL 1, Rechts unten: Solarturmkraftwerk CESA 1 in Almeria. Rechts oben: ANDASOL 1 und 2 (Quellen: Novatec, Cobra S.A., DLR).

7.6 Nachhaltige Energie- und Wasserversorgung für EUMENA

Anhand der in Tabelle 7.1 formulierten Nachhaltigkeitskriterien und unter Berücksichtigung zusätzlicher technischer, sozialer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die an anderer Stelle bereits beschrieben wurden [1,2], haben wir ein Szenario für die Energieerzeugung für 50 Länder der MENA-Region bis zum Jahr 2050 entwickelt. Mit Ausnahme von Windenergie, einer Branche, die bereits heute boomt, und Wasserkraft, einer seit Jahrzehnten etablierten Branche, werden erneuerbare Energieformen kaum vor dem Jahr 2020 im Strommix sichtbar werden (Abbildung 7.8 und Abbildung 7.9).

Abb. 7.8: Stromerzeugung auf der Basis erneuerbarer und fossiler Energiequellen in MENA zur Deckung des wachsenden Energiebedarfs unter Berücksichtigung von Solarstromexporten nach Europa und dem zusätzlichen Strombedarf für die Meerwasserentsalzung in der Region.

Abb. 7.8: Stromerzeugung auf der Basis erneuerbarer und fossiler Energiequellen in MENA zur Deckung des wachsenden Energiebedarfs unter Berücksichtigung von Solarstromexporten nach Europa und dem zusätzlichen Strombedarf für die Meerwasserentsalzung in der Region.

Abb. 7.9: Stromerzeugung auf der Basis erneuerbarer, nuklearer und fossiler Energiequellen in Europa zur Deckung des Energiebedarfs unter Berücksichtigung von Solarstromimporten aus MENA.

Abb. 7.9: Stromerzeugung auf der Basis erneuerbarer, nuklearer und fossiler Energiequellen in Europa zur Deckung des Energiebedarfs unter Berücksichtigung von Solarstromimporten aus MENA.

Abb. 7.10: Installierte Leistung im Vergleich zur kumulierten Spitzenlast (transparentes Feld mit weißem Rahmen) für die gesamte Region EU-MENA. Die gesicherte, jederzeit verfügbare Leistung des Kraftwerksparks wurde für jedes einzelne Land mit Hilfe der in Tabelle 7.3 angegebenen Leistungskredite der verschiedenen Technologien so kalkuliert, dass sie jederzeit die Spitzenlast mit einer zusätzlichen Reserve von 25 % abdecken kann. Im Jahr 2050 werden 68 % der installierten Leistung solarthermischer Kraftwerke für den lokalen Strombedarf, 19 % für den Solarstromexport und 13 % für die Meerwasserentsalzung genutzt werden. Die hier gezeigte installierte Leistung liefert insgesamt die in Abbildung 7.8 und Abbildung 7.9 dargestellten Strommengen und sichert die Netzstabilität zu jeder Zeit.

Abb. 7.10: Installierte Leistung im Vergleich zur kumulierten Spitzenlast (transparentes Feld mit weißem Rahmen) für die gesamte Region EU-MENA. Die gesicherte, jederzeit verfügbare Leistung des Kraftwerksparks wurde für jedes einzelne Land mit Hilfe der in Tabelle 7.3 angegebenen Leistungskredite der verschiedenen Technologien so kalkuliert, dass sie jederzeit die Spitzenlast mit einer zusätzlichen Reserve von 25 % abdecken kann. Im Jahr 2050 werden 68 % der installierten Leistung solarthermischer Kraftwerke für den lokalen Strombedarf, 19 % für den Solarstromexport und 13 % für die Meerwasserentsalzung genutzt werden. Die hier gezeigte installierte Leistung liefert insgesamt die in Abbildung 7.8 und Abbildung 7.9 dargestellten Strommengen und sichert die Netzstabilität zu jeder Zeit.

Gleichzeitig wird das Auslaufen der Nutzung von Kernenergie in vielen europäischen Ländern und der aus Umweltschutzgründen stagnierende Verbrauch von Stein- und Braunkohle einen zunehmenden Druck auf die Erdgasvorkommen ausüben, deren Verbrauch steigen wird und auf deren Funktion zur Energiegewinnung verstärkt zurückgegriffen werden wird.

Bis 2020 werden erneuerbare Energieformen wie Wind und Photovoltaik vor allem den Effekt der Reduzierung des Brennstoffverbrauchs haben, aber werden nur wenig dazu beitragen, die existierenden Kapazitäten für Regelleistung zu vermindern. Aufgrund des wachsenden Bedarfs und der Ablösung der Kernkraft kann der Verbrauch fossiler Brennstoffe vor 2020 nicht wesentlich reduziert werden. Heizöl für die Stromerzeugung wird bis 2030 aus Kostengründen weitgehend verschwunden sein, gefolgt von Kernkraft im letzten Jahrzehnt des Szenarios, die dann nicht mehr gebraucht wird. Der Verbrauch an Erdgas und Kohle wird mittelfristig bis 2030 ansteigen und danach bis 2050 auf ein kompatibles und finanziell verträgliches Maß reduziert. Auf lange Sicht ist nicht auszuschließen, dass neue Verbrauchertypen wie Elektroautos den Energiebedarf weiter ansteigen lassen und demzufolge eine stärkere Ausbeutung erneuerbarer Energien notwendig wird. Ausreichend Potenziale sind dafür in jedem Fall vorhanden.

Der Strommix im Jahr 2000 stammt aus fünf Quellen, von denen die meisten endlich sind, während die Mischung im Jahr 2050 auf zehn Energiequellen beruhen wird, die in der Mehrzahl erneuerbar sind. Aus diesem Grund erfüllt unser Szenario die von der Europäischen Kommission deklarierte „European Strategy for Sustainable, Competitive and Secure Energy“, im gleichnamigen Green Paper und Hintergrunddokument, das auf eine größere Diversifizierung und Sicherheit des europäischen Energiebestands abzielt [7,8].

Eine wesentliche Bedingung für die Gestaltung eines nachhaltigen Energie-Mixes ist die Bereitstellung gesicherter Leistung nach Bedarf mit einer Reserve in Höhe von ca. 25 % zusätzlich zur erwarteten Spitzenlast (Abbildung 7.10). Vor dem Beginn einer signifikanten Solarstromübertragung im Jahr 2020 kann dies nur gewährleistet werden, indem die Kapazität und der Brennstoffkonsum von Spitzenlastkraftwerken mittels Erdgas und zu einem späteren Zeitpunkt auf Basis von Kohlevergasung erweitert wird.

In Europa verdoppelt sich der Erdgasverbrauch bezogen auf das Anfangsjahr 2000, wird aber dann wieder auf das ursprüngliche Niveau sinken, nachdem im Jahr 2020 ein wachsender Anteil an CSP Übertragung aus den MENA-Ländern neben geothermischer Energie und Wasserkraft aus Skandinavien via Hochspannungsgleichstrom-Übertragung (HGÜ) eingeführt wird. Europäische erneuerbare Energiequellen, die eine sichere Kapazität bereitstellen könnten, sind mit Blick auf ihr Potenzial sehr begrenzt. Deshalb wird die CSP Übertragung von MENA nach Europa unabdingbar sein, um sowohl die Kapazität und den Brennstoffkonsum von Erdgas betriebenen Spitzenlastkraftwerken und eine feste erneuerbare Energiekapazität bereitzustellen.

In MENA-Ländern stellen konzentrierende thermische Solarkraftwerke die einzige erneuerbare Quelle dar, die tatsächlich in der Lage ist, den schnell anwachsenden Stromkonsum zu befriedigen, da sie sowohl Grund- und Spitzenlaststrom nach Bedarf liefern kann. Speicherwasserkraft, um das fluktuierende Wind- und PV-Stromangebot auszugleichen, sind nicht vorhanden. Nach unserem Szenario werden im Jahr 2050 fossile Energiequellen lediglich als Backup genutzt werden, zum Teil auch in solarthermischen Kraftwerken. Dies wird den Verbrauch von Brennstoffen auf ein verträgliches Maß reduzieren und die andernfalls rapide eskalierenden Stromerzeugungskosten senken. Fossile Brennstoffe werden genutzt werden, um jederzeit gesicherte Leistung zu garantieren, während erneuerbare Energien deren Verbrauch stark reduzieren werden.

Zur Ergänzung des erneuerbaren Strommixes wird eine effiziente Backup-Infrastruktur benötigt: Einerseits muss sie eine gesicherte bedarfsorientierte Kapazität durch schnell reagierende, mit Erdgas befeuerte Spitzenlastkraftwerke bereitstellen. Andererseits muss eine effiziente Netzinfrastruktur bereitstehen, die die Übertragung erneuerbaren Stroms von den am besten geeigneten Produktionsstätten zu den Hauptverbrauchszentren erlaubt. Eine mögliche Lösung ist die Kombination von HGÜ-Leitungen und dem konventionellen Wechselspannungsnetz.

Im Niederspannungsbereich werden auch dezentralisierte Strukturen an Bedeutung gewinnen, indem beispielsweise der Betrieb von PV, Wind-, Mikro-Gasturbinen und Blockheizkraftwerken so kombiniert wird, als wären sie ein großes, virtuelles Kraftwerk. Eine solche Netzinfrastruktur wird nicht durch die Nutzung von erneuerbaren Energieformen allein begründet sein. Vielmehr wird diese Entwicklung wahrscheinlich ohnehin stattfinden, um das wachsende europäische Netz zu stabilisieren, um größere Versorgungssicherheit zu erhalten und um den Wettbewerb zu stärken [20,21].

Bis 2050 werden Übertragungsleitungen mit einer Kapazität von jeweils 2,5-5,0 GW rund 700 TWh Solarenergie pro Jahr von 20 bis 40 verschiedenen Orten im Mittleren Osten und Nordafrika zu den Hauptverbrauchszentren in Europa liefern (Abbildung 7.11 und Tabelle 7.5).

Abb. 7.11: Schematische Darstellung eines möglichen zukünftigen Verbundes mit Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen in der Region EU-MENA. Solche „Stromautobahnen“ könnten das konventionelle Wechselstromnetz ergänzen, um einen effizienten Ferntransport erneuerbarer Energie von den besten Produktionsstandorten zu den Verbrauchszentren zu ermöglichen (nach [20]).

Abb. 7.11: Schematische Darstellung eines möglichen zukünftigen Verbundes mit Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen in der Region EU-MENA. Solche „Stromautobahnen“ könnten das konventionelle Wechselstromnetz ergänzen, um einen effizienten Ferntransport erneuerbarer Energie von den besten Produktionsstandorten zu den Verbrauchszentren zu ermöglichen (nach [20]).

Jahr 2020 2030 2040 2050
Anzahl × Leistung GW 2 × 5 8 × 5 14 × 5 20 × 5
Transfer TWh/a 60 230 470 700
Mittlere Auslastung 0,60 0,67 0,75 0,80
Umsatz Mrd. €/a 3,8 12,5 24,0 35,0
Landfläche CSP 15 × 15 30 × 30 40 × 40 50 × 50
km × km HGÜ 3100 × 0,1 3600 × 0,4 3600 × 0,7 3600 × 1,0
Investition CSP 42 134 245 350
Mrd. € HGÜ 5 16 31 45
Stromkosten CSP 0,050 0,045 0,040 0,040
€/kWh HGÜ 0,014 0,010 0,010 0,010

Tab. 7.5: Indikatoren für den EU-MENA Solarstromexport aus solarthermischen Kraftwerken (CSP) via Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) zwischen 2020 und 2050 nach dem TRANS-CSP Szenario. Im Jahr 2050 werden 20 bis 40 HGÜ-Leitungen mit einer Leistung von je 2,5–5,0 GW insgesamt etwa 700 TWh Strom von MENA nach Europa übertragen und dort in den Ballungszentren einspeisen. Die Tabelle zeigt auch die kumulierte Investition bis 2050 für Leitungen und Kraftwerke sowie die gesamten Stromkosten inkl. Übertragung in konstantem Geldwert des Jahres 2000 (zur Abschätzung heutiger oder zukünftiger nominaler Kosten - zum heutigen oder zukünftigen Geldwert - muss die Inflation ab dem Jahr 2000 dazugerechnet werden). Stromkosten wurden auf der Basis 5 % Zinssatz und 40 Jahre Lebensdauer für CSP bzw. 80 Jahre für HGÜ-Leitungen berechnet [2].

Tab. 7.5: Indikatoren für den EU-MENA Solarstromexport aus solarthermischen Kraftwerken (CSP) via Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) zwischen 2020 und 2050 nach dem TRANS-CSP Szenario. Im Jahr 2050 werden 20 bis 40 HGÜ-Leitungen mit einer Leistung von je 2,5–5,0 GW insgesamt etwa 700 TWh Strom von MENA nach Europa übertragen und dort in den Ballungszentren einspeisen. Die Tabelle zeigt auch die kumulierte Investition bis 2050 für Leitungen und Kraftwerke sowie die gesamten Stromkosten inkl. Übertragung in konstantem Geldwert des Jahres 2000 (zur Abschätzung heutiger oder zukünftiger nominaler Kosten - zum heutigen oder zukünftigen Geldwert - muss die Inflation ab dem Jahr 2000 dazugerechnet werden). Stromkosten wurden auf der Basis 5 % Zinssatz und 40 Jahre Lebensdauer für CSP bzw. 80 Jahre für HGÜ-Leitungen berechnet [2].

HGÜ steht seit mehreren Jahrzehnten als ausgereifte Technologie zur Verfügung und gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Stabilisierung von großflächigen Stromnetzen, insbesondere wenn mehr fluktuierende Ressourcen eingebunden werden. HGÜ tragen dazu bei, Ausgleichseffekte zwischen entfernten und lokalen Energiequellen zu erhöhen, und gegebenenfalls Betriebsausfälle großer Kraftwerke durch Backup-Kapazitäten aus der Ferne abzufangen.

Als Nebeneffekt dieser Entwicklung wird Solarstrom aus MENA-Ländern eine attraktive Option zur Erweiterung des europäischen Stromerzeugungs-Portfolios werden. Aufgrund der Abundanz und der saisonalen Konstanz der Solarenergie aus den Wüsten wird sie billiger und leichter erhältlich sein als in Europa erzeugte Solarenergie. In einer zukünftigen Allianz für erneuerbare Energien zwischen Europa und MENA werden Solar- und Windenergie, Wasserkraft, geothermische Energie sowie Biomasse an den Orten genutzt, wo sie am reichhaltigsten vorliegen.

Diese Energie wird über zum Teil große Entfernungen per HGÜ durch ganz Europa und MENA übertragen und dann in das konventionelle AC-Netz eingespeist, von wo es an die Verbraucher verteilt wird. In Analogie zum Autobahnnetz wird ein zukünftiges HGÜ-Netz eine geringe Anzahl von Einlässen und Auslässen haben, die es mit dem konventionellen Wechselspannungsnetz verbinden, weil es vorrangig der Fernenergieübertragung dient, während das Wechselspannungsnetz mit dem Straßensystem auf dem Land und in Stadtgebieten vergleichbar ist und wie bisher die Aufgabe der lokalen Verteilung der Energie übernimmt. Der Verlust der in MENA generierten Solarenergie durch HGÜ wird über eine Entfernung von 3000 km etwa 10 % betragen.

Im Jahr 2050 könnten 20 bis 40 Stromleitungen mit einer Kapazität von jeweils 2500-5000 MW etwa 15 % der Europäischen Energie als saubere Energie aus der Wüste liefern. Der Wert dieser Importe gründet sich auf niedrige Produktionskosten von langfristig ca. 5 ct/kWh (ohne weitere potenzielle Kostenreduzierungen über CO2-Handel zu berücksichtigen) und eine hohe Flexibilität hinsichtlich Grund-, Regel- und Spitzenlastbetrieb.

Es existiert die weit verbreitete Überzeugung, dass für jede Windfarm oder PV-Anlage ein mit fossilen Brennstoffen betriebenes Backup-Kraftwerk installiert werden muss. Im Gegensatz dazu zeigte ein Modell stündlicher Zeitverläufe des Energieversorgungssystems ausgewählter Länder gemäß unserem Szenario, dass sogar ohne zusätzliche Stromspeicherkapazitäten die existierende Regelleistung der Spitzenlastkraftwerke zum Ausgleich von Bedarfsfluktuationen ausreicht. Dies gilt, solange der fluktuierende Anteil der erneuerbaren Energie kleiner bleibt als die vorhandene Spitzenlastkapazität, was in unserem Szenario der Fall ist.

Abb. 7.12: Ausschnitt aus einer stündlichen Modellierung der Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2050 mit hohen Anteilen erneuerbarer Energie [22].

Abb. 7.12: Ausschnitt aus einer stündlichen Modellierung der Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2050 mit hohen Anteilen erneuerbarer Energie [22].

Tatsächlich wird sich der Bedarf an konventionellen Grundlastkraftwerken, die eine konstante Ausgangsleistung erzeugen, als Konsequenz des wachsenden Anteils erneuerbarer Energien Schritt für Schritt verringern (Abbildung 7.12). Grundlaststrom wird durch Kraft-Wärme-Kopplung, die Brennstoffe auf fossiler und Biomasse-Basis nutzt, durch Laufwasserkraft und durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen gewonnen. Regelleistung wird aus besser speicherbaren Quellen wie Speicherwasserkraft, Biomasse oder geothermischer Energie gewonnen. Diese Kombination von Energiequellen wird den täglichen Lastverlauf nicht vollständig abdecken, sich ihm aber stark annähern. Die verbleibende Spitzenlastkapazität (oder besser gesagt Regellast) wird durch Pumpspeicherung, Wasserkraftstauseen, solarthermische Kraftwerke und auf fossilen Brennstoffen basierenden Spitzenlastkraftwerken bereitgestellt. Zusätzlich wird ein bedarfsseitig verbessertes Management zunehmend dafür genutzt werden, die Nutzung von Pumpspeicherkapazität und fossilen Brennstoffen für Spitzenlast zu minimieren, deren Betrag verglichen mit heute in etwa gleich bleiben wird [22].

Die im Jahr 2050 noch verbleibenden, mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kapazitäten werden ausschließlich Ausgleichsaufgaben und der kombinierten Strom- und Wärmegenerierung dienen. Dies entspricht der Strategie, diese wertvollen, perfekt gespeicherten Energiereserven ausschließlich für die Zwecke zu nutzen, für die sie am besten geeignet sind, anstelle sie für den Alltagsgebrauch aufzuzehren. Grundlastkraftwerke mit konstanter Ausgangsleistung, die durch Kernspaltung, Kernfusion oder Braunkohle angetrieben werden, sind für ein solches System nicht passfähig, weil sie nicht in der Lage sind, die Lücke zwischen dem teilweise fluktuierenden Angebot aus erneuerbaren Energiequellen und dem ebenso fluktuierenden Bedarf zuverlässig zu schließen. Tatsächlich werden mit Erdgas betriebene Kraftwerke die bevorzugte Wahl für diese Zwecke sein. Langfristig werden nach 2050 erneuerbare Quellen in Verbindung mit fortgeschrittenem Speicher- und Auslastungsmanagement und in enger Koordinierung mit anderen Energiesektoren wie Wärme- und Kälteerzeugung sowie dem Transport- und Mobilitätssektor letztendlich auch den verbleibenden Strombedarf übernehmen.

7.7 Kostengünstiger Strom aus erneuerbarer Energie

Durch die weltweite Installation von CSP-Kraftwerken kann eine Reduzierung der Solarstromkosten aufgrund der Rationalisierungseffekte mit einer Entwicklungsrate von ca. 85-90 %3 erreicht werden [24]. Dazu ein Beispiel: Ein CSP Kraftwerk kann derzeit in Abhängigkeit von der Sonnenscheindauer Strom zu ca. 0,15-0,20 €/kWh erzeugen (Abbildung 7.13), wenn man von einer Verzinsung des Kapitals von 6,5 %/a und einer Lebensdauer von 25 Jahren ausgeht. Bei einer Installation von weltweit 10.000 MW würden die Kosten auf ungefähr 0,08-0,10 €/kWh fallen, und auf bis zu 0,04–0,06 €/kWh nach Installation einer 100.000 MW-Kapazität.4 Eine solche Kostenreduzierung könnte bei einer angenommenen globalen CSP Expansion von heute 1000 MW auf etwa 40.000 MW bis zum Jahr 2020 und ungefähr 240.000 MW bis 2030 erfolgen, inklusive der Kapazitäten für die Meerwasserentsalzung [1,2,12]. Aktuelle Szenarien gehen sogar von deutlich stärkerem Wachstum solarthermischer Kraftwerke aus [25,26]. Langfristig könnte weltweit eine Gesamtsumme von 500.000 – 1.000.000 MW bis zum Jahr 2050 installiert werden. Alle Kosten sind in konstantem Geldwert des Jahres 2000 (ohne Inflation) angegeben.

Abb. 7.13: Voraussichtliche Entwicklung der Stromkosten solarthermischer Kraftwerke unter der Annahme eines kontinuierlichen weltweiten Ausbaus für eine Einstrahlung von 2000, 2400 und 2800 kWh/m2/a (konstanter Geldwert in € des Jahres 2000, 25 Jahre Lebensdauer, Diskontrate 6,5 %/a, vergl. [2,24]).

Abb. 7.13: Voraussichtliche Entwicklung der Stromkosten solarthermischer Kraftwerke unter der Annahme eines kontinuierlichen weltweiten Ausbaus für eine Einstrahlung von 2000, 2400 und 2800 kWh/m2/a (konstanter Geldwert in € des Jahres 2000, 25 Jahre Lebensdauer, Diskontrate 6,5 %/a, vergl. [2,24]).

Alle erneuerbaren Stromquellen zeichnen sich durch ähnliche Erfahrungskurven aus und werden mit zunehmender Ausbeutung kostengünstiger. Im Gegensatz zu den meisten Energieformen erneuerbarer Herkunft, die Kapazitätsgrenzen hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit aufweisen, übersteigt die verfügbare Sonnenenergie in den MENA-Ländern den projizierten zukünftigen Bedarf um etwa ein Hundertfaches.

Abb. 7.14: Kosten im Spanischen Strommix entsprechend dem TRANS-CSP Szenario im Vergleich zu einer Beibehaltung des Strommixes des Jahres 2000 [2]. Alle Kostenangaben in konstantem Geldwert (€) des Jahres 2000.

Abb. 7.14: Kosten im Spanischen Strommix entsprechend dem TRANS-CSP Szenario im Vergleich zu einer Beibehaltung des Strommixes des Jahres 2000 [2]. Alle Kostenangaben in konstantem Geldwert (€) des Jahres 2000.

Außerdem werden die Kosten der sauberen Energie aus den Wüsten aufgrund der besseren Sonnenstrahlung inklusive der Übertragungskosten niedriger sein als Sonnenenergie, die aus demselben in Europa verwendeten Kraftwerkstyp stammt. Nimmt man den spanischen Strommix als Beispiel, wie in [2] beschrieben, dann zeigt ein Szenario aus einer Mischung aus heimischen erneuerbaren Energien, Solarenergie aus Nordafrika und fossilen Brennstoffen mittelfristig stabile und sogar leicht sinkende Stromkosten. Geht dagegen alles wie gewohnt weiter, wird dies zu sich immer höher schraubenden Energiekosten führen (Abbildung 7.14), wie es seit 2000 der Fall ist. Im TRANS-CSP Szenario wird die Expansion erneuerbarer Energien in Marktnischen wie dem Deutschen oder dem Spanischen Erneuerbaren Energiegesetz bis etwa 2020 stattfinden und zu vorübergehend leicht erhöhten Kosten führen. Während dieser Zeit wird der Anteil erneuerbarer Energien ansteigen, während die Kosten für Strom erneuerbarer Herkunft sinken werden.

Sobald der Kostendeckungspunkt mit herkömmlichen Energieformen erreicht ist, werden erneuerbare Kapazitäten schneller anwachsen und damit weitere Steigerungen in den nationalen Stromkosten vermeiden. Auf diese Weise können die Stromkosten des Energiemixes konstant gehalten bzw. in manchen Fällen sogar wieder auf ein niedrigeres Niveau gesenkt werden, indem der Anteil erneuerbarer Energiequellen erhöht wird. Dieses Konzept ist in allen EU-MENA-Ländern realisierbar.

Wie die stetige Eskalation der Energiekosten deutlich zeigt, ist eine Einführung von erneuerbaren Energiequellen im großen Umfang die einzige Lösung, wenn man eine weitere Kostenanhebung auf lange Sicht im Energiesektor vermeiden und mittelfristig zu einem relativ niedrigen Stromkostenniveau zurückkehren will. Dies stimmt mit der Verpflichtung der meisten Energieversorger überein, ihren Kunden den kostengünstigsten Strom zu liefern. CSP aus den Wüsten ist ein Schlüsselelement einer solchen Strategie.

Abb. 7.15: Szenario der Wasserversorgung in MENA bis zum Jahr 2050. Quelle: [12]

Abb. 7.15: Szenario der Wasserversorgung in MENA bis zum Jahr 2050. Quelle: [12]

Eine finanziell tragbare und nachhaltige Energieressource wird darüber hinaus für einen noch existenzielleren Rohstoff benötigt: durch Meerwasserentsalzung gewonnenes Trinkwasser. CSP und andere erneuerbaren Energien können auch hier eine Lösung bieten [27]. Die AQUA-CSP Studie zeigt das Potential von CSP für die Meerwasserentsalzung in der MENA Region und beschreibt die verfügbaren technischen Optionen, die von solarbetriebener Membranen-Entsalzung bis zur kombinierten Erzeugung von Solarstrom und Wärme für die thermische Mehrstufenentsalzung reichen [12].

Tatsächlich gibt es keinen anderen Weg, um eine ernstzunehmende Wasserkrise in der MENA-Region zu verhindern, die bisher nur durch eine ansteigende Übernutzung von Grundwasserreserven hinausgeschoben wird. Es müssen alle vorhandenen Optionen aktiviert werden, mit dem Ziel eines besseren Wassermanagements durch eine höhere Effizienz bei der Wasserverteilung und beim Endverbrauch, der Abwasseraufbereitung und -wiederverwertung sowie der Meerwasserentsalzung basierend auf erneuerbaren Energiequellen (Abbildung 7.15).

7.8 Eine Alternative zu Klimawandel und Kernenergie

Durch die Implementierung unseres Szenarios können die Kohlenstoffemissionen auf Werte reduziert werden, die mit dem globalen Ziel vereinbar sind, den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre soweit zu reduzieren, dass eine globale Erwärmung im Bereich von 1,5-3,9 °C gehalten werden kann [28]. Ausgehend von 1790 Mio. Tonnen Kohlendioxid pro Jahr im Jahr 2000, können die Emissionen auf 690 Mt/a in 2050 verringert werden, anstatt auf 3700 Mt/a anzuwachsen (Abbildung 7.16). Die bis 2050 erreichbare Pro-Kopf-Emissionsmenge von 0,58 t/cap/a im Stromsektor ist akzeptabel mit Blick auf die vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) empfohlene Gesamtemissionsmenge von 1-1,5 t/cap/a [29]. Weitere Einsparungen nach 2050 sind erreichbar. Auch andere Schadstoffe werden auf diese Weise reduziert, ohne auf eine Erweiterung der Kernenergie und die damit zusammenhängenden Risiken zurückgreifen zu müssen.

Abb. 7.16: CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung in Millionen Tonnen pro Jahr für alle untersuchten Länder in EU-MENA sowie die durch die Implementierung der hier vorgestellten Szenarien vermeidbaren Emissionen (Vergleichsfall: Mix des Jahres 2000 wird beibehalten, wobei die Emissionen proportional zum steigenden Verbrauch anwachsen).

Abb. 7.16: CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung in Millionen Tonnen pro Jahr für alle untersuchten Länder in EU-MENA sowie die durch die Implementierung der hier vorgestellten Szenarien vermeidbaren Emissionen (Vergleichsfall: Mix des Jahres 2000 wird beibehalten, wobei die Emissionen proportional zum steigenden Verbrauch anwachsen).

Kohlenstoffabspaltung und -speicherung (CCS) betrachten wir in unserer Studie als Ergänzung, aber nicht als Alternative zu erneuerbaren Energien, da sie die Effizienz von Kraftwerken vermindert und dadurch den Verbrauch von fossilen Brennstoffen um bis zu 30 % beschleunigt. Aufgrund der Tatsache, dass die Kosten der Kohlenstoffabspaltung stets zusätzlich zu den Kosten fossiler Brennstoffe entstehen, führt CCS zu einem früheren Erreichen des Kostendeckungspunktes mit erneuerbaren Energien und zu deren schnellerer Markteinführung.

Die Fläche, die für die gesamte Infrastruktur erneuerbarer Energien unter Einbeziehung der vorgeschlagenen HGÜ-Leitungen im Zeitraum bis 2050 benötigt wird, umfasst etwa 1 % der gesamten Landfläche der EUMENA-Region. Dies ist mit der derzeit für die Transport- und Verkehrsinfrastruktur genutzten Landfläche in Europa vergleichbar. Unter Verwendung eines geographischen Informationssystems (GIS) wurden drei Beispiele von HGÜ-Leitungen anhand einer Lebenszyklusanalyse [30] analysiert, die sehr gut geeignete Standorte für die Solarstromerzeugung in MENA mit drei bedeutenden europäischen Verbrauchszentren verbinden. Das GIS wurde so programmiert, dass die Kosten, die Umweltbeeinträchtigungen und die Sichtbarkeit der Stromleitungen minimiert wurden, und lieferte Ergebnisse, die aus unserer Sicht innerhalb eines ökonomisch und ökologisch akzeptablen Bereichs liegen. Üblicherweise sind die Auswirkungen durch HGÜ-Leitungen auf die Umwelt geringer als die vergleichbarer Wechselstromleitungen herkömmlicher Technologie.

Alles in allem zeigt unser Szenario eine Möglichkeit auf, negative Umwelteinflüsse der Energieerzeugung effektiv zu verringern. Dieses Modell könnte auch für einen weltweiten Einsatz gelten. Unter anderem wurde dies durch eine Studie des US-Amerikanischen Department of Energy (DOE) zur Machbarkeit dieses Konzepts in den USA bestätigt [31].

Wie schon gezeigt, wird in Zukunft die Meerwasserentsalzung im großen Stil unverzichtbar sein. Wenn sie anstelle von fossilen Brennstoffen mit Sonnenenergie betrieben wird, können ihre Auswirkungen auf die Umwelt wesentlich reduziert werden. Dennoch stellt die Meerwasserentsalzung selbst aufgrund der entstehenden Salzlauge und der erforderlichen chemischen Zusätze zum Schutz der Anlage eine beachtliche Belastung für die Umwelt dar.

Nano-Filtration des Wasserzuflusses kann den Bedarf an chemischen Zusätzen reduzieren, allerdings wird in diesem Fall mehr Energie benötigt. Aus diesem Grund haben eine erhöhte Effizienz des Wasserverbrauchs, besseres Wassermanagement und verbesserte Wasserinfrastruktur ebenfalls eine sehr hohe Priorität, um den Bedarf an Entsalzung gering zu halten. Zudem wird eine neue Generation sauberer und umweltverträglicher Meerwasserentsalzungsanlagen entstehen, die die Versorgung zukünftiger Generationen nachhaltig sichern kann [12].

7.9 Strom in anderen Energiesektoren

Eine nachhaltige Lösung muss auch für die Sektoren Wärme- und Kälteerzeugung sowie den Transportsektor gefunden werden. Energieeffizienz und ein wachsender Anteil an erneuerbaren Energien sind nützliche Orientierungshilfen für diese Sektoren. Auf lange Sicht existiert die Option, einen teilweisen Wechsel von traditioneller Wärme und Brennstoffen hin zu elektrischem Strom zu vollziehen. Beispiele für einen solchen Wechsel sind elektrische Wärmepumpen oder direkte Nutzung von Elektrizität zur Raum- und Wassererwärmung sowie Elektro- oder Hybridfahrzeuge. Hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit stellt der sich aus diesem Wechsel ergebende höhere Strombedarf kein Problem dar, wenn der Strom hauptsächlich aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Im Stromsektor wird jede Kilowattstunde Strom aus Solar- und Windenergie zwei bis drei kWh aus Steinkohle, Erdöl, Erdgas oder Uran gewonnener Primärenergie ersetzen.5

Diese Relation hängt von der tatsächlichen Effizienz der konventionellen Primärenergieumwandlung ab, die zwischen etwa 20 % im Transportsektor und etwa 80 % bei der Raumheizung rangiert. Auf diese Weise wird die Nutzung erneuerbaren Stroms zu Effizienzgewinnen in allen Energiesektoren beitragen. Ein teilweiser langfristiger Wandel anderer Sektoren hin zu sauberer elektrischer Energie ist möglich, da das Potential erneuerbarer Energie in EUMENA groß genug ist, um den zusätzlichen Bedarf zu decken. Neben Strom existieren direkte Lösungen mithilfe von erneuerbaren Energiequellen auch für diese Sektoren, wie z.B. die Nutzung von Bio-Brennstoffen für Transport und Wärmeerzeugung, energieeffiziente Gebäude und Solarwassererhitzer, um nur einige Beispiele zu nennen [15].

Kombinierte Wärme- und Stromerzeugung ist eine wichtige Maßnahme zur Steigerung der Energieeffizienz fossiler Brennstoffe. Einige erneuerbare Technologien, wie Biomasse, geothermische Energie und CSP Kraftwerke nutzen ebenfalls diese Option zur kombinierten Erzeugung von Wärme und Strom – typischerweise mit Hilfe von Dampf – für industrielle Prozesse, Kühlung und Entsalzung, und werden einen wachsenden Anteil im Stromversorgungssystem der Zukunft einnehmen.

7.10 Schlussfolgerungen

Das vorliegende Paper quantifiziert das Potential erneuerbarer Energien in Europa, dem Mittleren Osten und Nordafrika und bestätigt, dass diese in der Lage sind, eine sichere und bedarfsgerechte Stromversorgung bereitzustellen. Für einen schnellen Wechsel zu sauberer und sicherer Energie ist eine Verbindung der Elektrizitätsnetze Europas, des Mittleren Ostens und Nordafrikas (EUMENA) von großem Vorteil. Unsere Studie bewertet das Potential und den Nutzen von Solarenergie aus den Wüsten. Das konventionelle Stromnetz ist nicht geeignet, große Strommengen über weite Entfernungen zu transportieren. Deshalb wird eine Kombination aus dem konventionellen Wechselspannungsnetz für die lokale Verteilung und HGÜ-Technologie für die Fernübertragung für das Transmediterrane Stromkonzept genutzt, das hauptsächlich auf erneuerbaren Energien basiert, mit einem Backup aus fossilen Brennstoffen. Nachhaltige Energie wird ebenfalls für die Trinkwasserversorgung durch Meerwasserentsalzung notwendig sein.

Die Ergebnisse unserer Studien können in den folgenden Aussagen zusammengefasst werden:

1Ein ausgewogener Mix aus verschiedenen erneuerbaren Energiequellen, gestützt durch fossile Brennstoffe, kann nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Elektrizität bereitstellen. Unser Szenario für EUMENA geht vom im Jahr 2000 existierenden 16 % Anteil erneuerbarer Energie aus und erreicht einen Anteil von 80 % im Jahr 2050. Zur Ergänzung der erneuerbaren Energiequellen wird eine effiziente Backup-Infrastruktur benötigt, die eine sichere bedarfsgerechte Stromkapazität mittels schnell reagierender, mit Erdgas betriebener Spitzenlastkraftwerke bereitstellt und mit Hilfe einer effizienten Netzinfrastruktur Strom erneuerbarer Herkunft von den ertragreichsten Produktionsstandorten an die Hauptverbrauchszentren liefert.

2Zur Markteinführung von Strom erneuerbarer Herkunft wird anfängliche Unterstützung in Form von langfristigen Stromabnahmeverträgen benötigt, die die Betriebskosten und einen angemessenen Gewinn aus dem investierten Kapital decken. Dies wird sich in einem geringfügigen Anstieg der nationalen Strompreise niederschlagen, aber langfristig deren Eskalation dank des wachsenden Anteils immer günstiger werdender erneuerbarer Energien abwenden.

3Bei sofortiger Einführung kann der Wechsel zu einem nachhaltigen Energiemix innerhalb einer Zeitspanne von 15 Jahren zu einer kostengünstigeren Stromerzeugung führen, als bei Beibehaltung der gewohnten Strategie der Fall wäre. Fossile Brennstoffe mit ständig wachsenden Kosten werden sukzessive durch erneuerbare und in der Mehrzahl einheimische Energieformen ersetzt.

4Die negativen sozioökonomischen Effekte des Anwachsens der Preise fossiler Brennstoffpreise können bis 2020 gestoppt werden, wenn adäquate politische und rechtliche Rahmenbedingungen für die Markteinführung erneuerbarer Energiequellen rechtzeitig etabliert werden. Langfristige Stromabnahmeverträge, die beispielsweise in den Erneuerbaren-Energie-Gesetzen in Deutschland und Spanien verordnet werden, sind effektive Instrumente für die Markteinführung von erneuerbaren Energien. Wenn anfängliche Tarifaufschläge in der Folge auf Null reduziert werden, können sie vielmehr als öffentliche Investition in eine bezahlbare und sichere Energieerzeugung betrachtet werden und weniger als staatliche Subvention.

5Solarenergie, die durch CSP-Kraftwerke in MENA erzeugt und mit Hilfe von Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) nach Europa transferiert wird, kann eine sichere Kapazität für Grundlast- und Spitzenlaststrom bereitstellen, und somit europäische Energiequellen wirksam ergänzen. Wird zwischen 2020 und 2050 mit einem Transfer von 60 TWh/a begonnen, können Sonnenenergieimporte danach bis auf 700 TWh/a bis zum Jahr 2050 ausgebaut werden. Hohe Sonnenstrahlung in MENA und niedrige Übertragungsverluste von ca. 10 % nach Europa werden in einem konkurrenzfähigen Preis von ca. 0,05 €/kWh6 für den Import von Sonnenenergie resultieren.

6Anstelle einer Verdoppelung der Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2050, die mit großer Wahrscheinlichkeit Folge der Beibehaltung des gewohnten Schemas wäre, können die CO2–Emissionen aus der Stromerzeugung in EUMENA in unserem Szenario auf 38 % der Emissionen des Jahres 2000 reduziert werden. Nur 1 % der Landfläche wird dafür benötigt, das entspricht der gegenwärtigen Landnutzung für Transport und Verkehr in Europa.

7Wachsende Trinkwasserdefizite in MENA werden zunehmend die Entsalzung von Meerwasser erfordern, allerdings muss dies mittels erneuerbarer Energie erfolgen. Solarstrom für die Umkehrosmose und solare Kraft-Wärme-Kopplung für die thermische Meerwasserentsalzung sind die Hauptanwärter für eine solche nachhaltige Lösung.

8Europäische Unterstützung für MENA zur Markteinführung von erneuerbaren Energien kann den Druck auf fossile Brennstoffressourcen verringern, der andernfalls aus dem wirtschaftlichen Wachstum in dieser Region entstünde. Auf diese Weise kann indirekt auch dazu beigetragen werden, fossile Brennstoffvorräte für Europa zu sichern.

9Der notwendige politische Prozess könnte durch eine Partnerschaft für erneuerbare Energie und eine gemeinsame Handelszone in EUMENA initiiert werden und in einer Gemeinschaft für Energie-, Wasser- und Klimasicherheit gipfeln.

Um diese Vorteile zu realisieren, müssen die Regierungen der EUMENA-Länder jetzt die Initiative ergreifen und die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für eine neue Investition in saubere und nachhaltige Energie schaffen.

Da Energie auch eine Vorbedingung für eine nachhaltige Wasserversorgung ist, ist eine kurzfristige Entscheidung der EUMENA-Regierungen, diesen Pfad zu ebnen und geeignete Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, von fundamentaler Bedeutung für die gesamte Region.

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Fußnoten

Sonneneinstrahlung 2400 kWh/m2/Jahr, 1600 kWh Wärmewert pro Barrel (Fass).

Die Oberfläche des Nasser-Sees beträgt 6000 km2. Die Erdölproduktion des Mittleren Ostens liegt derzeit bei 9 × 109 Barrel/Jahr.

Eine Lernrate von 90 % bedeutet, dass die spezifische Investition sich immer dann um 10 % reduziert, wenn die weltweit installierte Kapazität der Sonnenkollektoren verdoppelt wird [23,24].

Diese Kosten basieren auf einem ausschließlich solarbetriebenen Modus und wären im Hybridmodus aufgrund der besseren Tilgungsraten des Kraftwerksblocks geringfügig niedriger. Alle Kosten in konstantem (realem) Geldwert (€) des Jahres 2000 ohne Inflation.

Wenn man von einer typischen Effizienz eines konventionellen Kraftwerks von 30-50 % ausgeht.

In konstantem Geldwert des Jahres 2000, Umrechnung in heutige Preise durch hinzufügen der Inflation.